Sachbuch

Persönliches Manifest

»Wo sind Sie? Wo waren Sie, als wir Sie brauchten?« Diese Fragen stellt Michel Friedman in seinem »Brief an die Gleichgültigen«, einem der 18 kurzen Kapitel in seinem jüngst erschienenen Buch Judenhass. 7. Oktober 2023. Darin beklagt der 1956 geborene Rechtsanwalt, Philosoph, Publizist und Moderator die zaghaften, späten, wenn überhaupt vorhandenen Solidaritätsbekundungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegen Übergriffe auf Jüdinnen und Juden – und erst recht gegen das Hamas-Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023.

Wenige Monate danach legt Friedman einen historisch und philosophisch unterfütterten Erklärungsversuch über die große Gleichgültigkeit hierzulande gegenüber jüdischem und israelischem Leid vor. Zugleich ist dieser schmale Band das persönliche Manifest eines selbstbewussten jüdischen Demokraten. Michel Friedman richtet seine Worte bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt.

Stark ist dieses Buch vor allem dort, wo Friedman aus seiner persönlichen Erfahrung heraus argumentiert, wo lesenswerte Fragmente einer Autobiografie aufscheinen. Die seit dem 7. Oktober 2023 eingetretenen Entwicklungen benennt Friedman ebenfalls präzise. Aber er schafft es nicht, sie korrekt einzuordnen.

Stark ist dieses Buch vor allem dort, wo Friedman aus seiner persönlichen Erfahrung heraus argumentiert, wo lesenswerte Fragmente einer Autobiografie aufscheinen.

Mit seinen Appellen an Politik und Öffentlichkeit und dem Ansatz, die Sicherheit jüdischen Lebens zum Gradmesser für den Zustand der liberalen Demokratie zu erklären, beschwört Michel Friedman eine bundesrepublikanische Welt von gestern. In deren tonangebenden Milieus gehörte es einst zum guten Ton, »gegen rechts« und zugleich solidarisch mit Juden, gelegentlich auch mit Israel, zu sein. Friedman bezieht sich so auf eine im Rückblick recht kurze Zeitspanne, in der selbstbewusste jüdische Stimmen noch selbstverständlich gehört und buchstäblich gebraucht wurden. Und Michel Friedman war ein Teil genau dieser Öffentlichkeit.

Als Gegenwartsdiagnostiker scheitert Friedman: Er findet keine geistige Verbindung zu einem Jetzt, in dem Juden nicht zählen, in dem die deutsche Vergangenheitsbewältigung als überkommene »German Guilt« und lästige provinzielle Folklore gilt. Michel Friedman gelingt in dem Buch kein Anschluss an eine Öffentlichkeit, die Israel zunehmend als Inbegriff des Bösen betrachtet, von dem sich Jüdinnen und Juden zu distanzieren haben.

Michel Friedman: »Judenhass. 7. Oktober 2023« Berlin Verlag, Berlin 2024, 112 S., 12 €

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025