Berlin

Leiser Westen, lauter Osten

Leise, zaghaft und etwas schüchtern klingen die ersten Flügel-Töne durch die Synagoge. Es ist fast dunkel, allein die Seitengänge leuchten nachtblau. Und langsam mischen sich unter die Klänge des Pianisten Jascha Nemtsov ebenso zaghafte Töne von Alan Berns Akkordeon. Wäre das Lied Dobranotsh – Gute Nacht nicht der Eröffnungsbeitrag, es hätte auch gut der Schlussakkord der 27. Jüdischen Kulturtage sein können.

Aber so hat es Intendant Martin Kranz gewollt: Die Kulturveranstaltung, die in den kommenden neun Tagen von Ausstellungen über Kochshow bis hin zu Psychologie-Gesprächsrunden vieles bietet, sollte nun einmal leise beginnen.

»Ost und West – Jüdische Musikwelten«. Unter diesem Motto sind zehn hochkarätige Musiker am Donnerstagabend auf der kleinen Bühne der Synagoge Rykestraße zusammengekommen. Der Osten trifft auf den Westen: Das war auch auf der Bühne Programm.

Imposant Während Jascha Nemtsov, die Violoncellistin Simone Drescher und die Sopranistin Tehila Nini Goldstein den eher klassischen Teil des Abends präsentierten – wie Nigun (Aria) von Jakob Schönberg oder Joachim Stutschewskys Jemenitisches Lied – zeigten Alan Bern, das Klezmertrio um Michael Winograd und die beiden Sängerinnen Svetlana Kundish und Sasha Lurje, was der Osten zu bieten hatte. Und das war mehr als imposant. Denn Lurje und Kundishs Stimmen gehen unter die Haut, selbst wenn man die jiddischen oder hebräischen Texte vielleicht nicht verstehen konnte.

Richtig lebhaft wurde es immer dann, wenn alle Künstler »aus dem Osten« zusammen spielten. Bei Michael Gnessins Jad Anuga oder auch beim traurigen Vorbei von Rolf Marbot. Und weil der Abend lauter enden sollte, als er begonnen hatte, ging das Publikum zum Schluss noch einmal richtig mit: klatschen, pfeifen und mit den Schuhen im Takt treten, sodass selbst der Innenhof der Synagoge noch etwas vom Schlussakkord hatte.

Was der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe zu Beginn des Abends als »Augen- und Ohrenschmaus« angekündigt hatte, war ein echtes Erlebnis. Und auch für Alan Bern war der Abend »ein Zeichen dessen, was möglich ist und was sein kann«. Die Jüdischen Kulturtage sind eröffnet – ganz leise und ganz laut.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  30.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Die Schauspielerin und Sängerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025