Kultur

Kritik statt »Jubelparty«

Gruß aus Hohenems Foto: Dietmar Walser / JMH

Mit einem Festakt und dem Beginn der Sonderausstellung »Übrig« hat das Jüdische Museum Hohenems am Sonntag sein 25. Jubiläum gefeiert. »Ich kenne keine Institution, die wie unser Haus von so vielen Menschen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus Überzeugung und mit Emotion, aus Neugier, mit Witz und politischer Wachheit getragen wird«, sagte Museumsdirektor Hanno Loewy in seiner Rede zum Geburtstag des Museums.

Doch Loewy, der 2004 die Leitung des Museums übernahm, wollte die Feier nicht als »Jubelparty« verstanden wissen, wie er in seiner Rede ausführte. In scharfen Worten kritisierte er die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union im Allgemeinen und Österreichs im Besonderen. »Während in Griechenland Zehntausende von Flüchtlingen im Dreck sitzen, nicht zuletzt aufgrund unserer erfolgreichen österreichischen Balkanpolitik, feiern wir hier 25 Jahre Jüdisches Museum«, betonte Loewy.

Nationalismus »Im Moment wäre ich lieber ein Teil der Hohenemser Community, die den Flüchtlingen hilft, als ein Europäer zu sein«, so Loewy weiter. »Es wird an uns liegen, ob von Europa am Ende der Nationalismus und das Misstrauen gegen alles Fremde und Andere bleiben wird, oder die Erinnerung an die Werte, für die die Aufklärung angeblich gestanden hat.«

Landtagspräsident Harald Sonderegger erklärte in seiner Rede, dass es die Aufgabe eines jüdischen Museums sei, das Bewusstsein für die eigene, auch schreckliche Geschichte zu wecken – und damit auch politische und gesellschaftliche Sensibilität zu schaffen: »Was uns fremd erscheint, soll uns nicht abschrecken«, forderte der ÖVP-Politiker. »Ganz im Gegenteil – mit allem, was uns nicht nahe erscheint, damit sollten wir uns besonders beschäftigen.«

Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) stellte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Museums als wichtigen Ort der Erinnerung und des Lernens heraus – und übte Kritik an den österreichischen Politikern, die nach 1945 eine Auseinandersetzung mit dem Holocaust ablehnten, »weil man sich nicht mit der Geschichte auseinandersetzen wollte«.

Waldheim-Affäre Lob dagegen sprach Ostermayer den vielen Initiatoren und Helfern des Museums aus, die auch in der sogenannten Waldheim-Affäre gegen das Vergessen des dunkelsten Kapitels Österreichs anzugehen versuchten. Die Debatte um die Beteiligung des österreichischen Bundespräsidenten an Kriegsverbrechen während der NS-Zeit dauerte bis zum Ende seiner Amtszeit 1992. »Das darzustellen, was während des Nationalsozialismus passiert ist, und auch zu sagen, dass man viel versäumt hat, erforderte und erfordert viel Mut«, betonte Ostermayer beim Festakt im Salomon-Sulzer-Saal in Hohenems.

Das Jüdische Museum Hohenems wurde am 10. April 1991 gegründet und gehört zu den wichtigsten jüdischen Institutionen des Landes. In Hohenems war vor dem »Anschluss« Österreichs eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinden im Alpen- und Bodenseeraum ansässig. Mit der Sonderausstellung »übrig«, die noch bis zum 2. Oktober zu sehen ist, werden unter anderem Zeugnisse jüdischer Geschichte aus dieser Zeit gezeigt.

www.jm-hohenems.at

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Zwischenruf

Was bleibt von uns?

Was bleibt eigentlich von uns, wenn Apple mal wieder ein Update schickt, das alles löscht? Jede Höhlenmalerei erzählt mehr als eine nicht mehr lesbare Floppy Disk

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025