Literatur

»Irgendwann kommt der Sinn zurück«

»Ein Teil meiner Familie lehnt mich bis heute ab«: Mira Magén Foto: Gregor Zielke

Literatur

»Irgendwann kommt der Sinn zurück«

Die Autorin Mira Magén über ihren neuen Roman »Zuversicht«, Krisen und Neuanfänge

von Philipp Peyman Engel  26.03.2018 17:59 Uhr

Frau Magén, Sie haben Ihrem neuen Roman »Zuversicht« das folgende Motto vorangestellt: »Der Mensch steht auf und fällt, steht auf und fällt.« Was bedeutet Ihnen dieser Satz?
Für mich macht diese Beschreibung den Menschen und unser Leben aus. Wir alle erleiden Krisen, wir alle kommen im Laufe unseres Lebens an diesen einen Punkt, an dem wir sagen: Ich schließe ab mit allem, es geht nicht mehr weiter, und ich möchte auch nicht, dass es weitergeht. Und dann passiert etwas Bemerkenswertes: Sehr häufig, nicht immer, aber doch erstaunlich oft geht es dann doch weiter. Die Freude, das Lachen, der Sinn kehren irgendwann langsam wieder zurück. Davon wollte ich in meinem neuen Buch Zuversicht erzählen.

Die Heldin in Ihrem Buch verliert alles: ihren geliebten Ehemann, ihren kleinen Sohn, ihre Zuversicht.
Ja, Nava ist gerade einmal 39 Jahre alt, aber sie versucht von da an, sich mit aller Kraft, die ihr geblieben ist, jeder Zukunft zu verweigern. Sie beschließt, in einem Altersheim für den Rest ihres Lebens auf den Tod zu warten. Wider Erwarten, nach langer Zeit und ohne dass sie sagen könnte, warum, gelangt sie zurück in den Fluss des Lebens. Ihr Schmerz ist noch da, er ist nicht weniger geworden und wird auch nie schwächer werden, aber plötzlich spürt sie wieder so etwas wie Hoffnung.

Die Reaktionen auf das Buch waren in Israel gewaltig. Wie erklären Sie sich das?
Es stimmt, ich habe so viele Mails und Anrufe bekommen wie noch nie. Ich glaube, dass sich viele Leser mit Nava identifizieren können. Manche von uns laden im Laufe ihres Lebens Schuld auf sich, die sie sich selbst niemals verzeihen. Mit dieser Strafe müssen sie dann leben. Sie denken, dass diese Situation für immer anhalten wird. Andere wiederum stehen an diesem einen Punkt, an dem es nicht mehr weiterzugehen scheint. Aber das tut es doch. Eine Leserin erzählte mir davon, wie ihre achtjährige Tochter an Blutkrebs starb. Vor einiger Zeit las sie mein Buch und meinte, sie hoffe, es gehe ihr wie Nava. Allein durch das Buch habe sie etwas Zuversicht geschöpft. Nichts wird wieder gut, sagte sie. Aber zu dem Schmerz gesellte sich überraschenderweise so etwas wie Lebenssinn.

Gab es in Ihrem Leben einen ähnlichen Moment?
Ich bin in einer sehr orthodoxen Familie aufgewachsen. Es war eine Katastrophe für sie, als ich Schriftstellerin wurde. Ein Teil meiner Familie lehnt mich bis heute ab. Nach dem Motto: »Es gibt die Tora – warum noch ein Buch schreiben?« Um mich selbst zu verwirklichen, musste ich sie enttäuschen. Und jetzt raten Sie mal, dieses Pessach feiere ich den Seder nach langer Zeit mit ebenjenem Teil der Familie, der sich geschworen hatte, nie wieder Kontakt mit mir zu haben.

Wer Gott zum Lachen bringen will, muss nur einen Plan machen, heißt es ...
So ist es. Ich beschäftige mich viel mit diesen Fragen. Ich würde sagen, dass ich den orthodoxen Weg nie verlassen habe. Wir wissen nicht, welche Rolle und welche Handlung in unserem Leben vorgesehen ist. Ich glaube aber fest daran, dass beides gut sein wird – auch wenn wir es nicht als solches erkennen können.

Das Gespräch mit der israelischen Schriftstellerin führte Philipp Peyman Engel.

Am 11. April liest Mira Magén im Rahmen der Deutsch-Israelischen Literaturtage in Berlin aus ihrem neuen Roman und diskutiert mit Clemens Meyer über das Thema »Gerechtigkeit«.

www.goethe.de/literaturtage

Österreich

Neue Direktorin für das Jüdische Museum Hohenems

Historikerin Irene Aue-Ben-David übernimmt die Leitung und bringt internationale Erfahrung aus Jerusalem mit

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Basel

Mann wollte Juden während des ESC angreifen

Kurz vor dem »Eurovision Song Contest« in der Schweiz wurde ein 25-Jähriger wegen konkreter Gewaltdrohungen festgenommen und ausgewiesen

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Berlin

Umstrittene 88: Der schwierige Umgang mit rechten Codes

Im Berliner Fußball sorgt die Debatte um die Rückennummer 88 und dem Hitler-Bezug für Kontroversen. Warum das Verbot erneut scheiterte und wie der Fußball insgesamt mit rechtsextremen Codes umgeht

von David Langenbein, Gerald Fritsche, Jana Glose  16.12.2025

Wien

ESC 2026: ORF will israelfeindliche Proteste nicht ausblenden

Die Debatte und der Boykott einzelner Länder wegen der Teilnahme Israels haben den ESC 2026 bisher überschattet. Auch beim Event im Mai selbst drohen Proteste. Wie geht der ORF damit um?

 16.12.2025

Washington D.C.

Trump sorgt mit Angriffen auf ermordeten Rob Reiner für Empörung

Der jüdische Regisseur sei an einem »Trump-Verblendungssyndrom« gestorben, schreibt der Präsident. Dafür erntet er seltene Kritik aus den eigenen Reihen

 16.12.2025

Nachruf

Filmproduzent mit Werten

Respektvoll, geduldig, präzise: eine Würdigung des sechsfachen Oscar-Preisträgers Arthur Cohn

von Pierre Rothschild  15.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025