Lesen!

HB-Männchen in Zion

Das Jahr 2008 war für den frankokanadischen Comiczeichner Guy Delisle aufregend. Zwar hat der 46-Jährige mit seiner Frau und den Kindern schon in so entlegenen Orten wie dem nordkoreanischen Pjöngjang, dem chinesischen Shenzhen oder in Birma gelebt. Doch vor vier Jahren verschlug es den Künstler erstmals nach Israel, genauer gesagt, begleitete er seine Frau, die bei der Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen« arbeitet, nach Ostjerusalem.

momentaufnahmen Über diese Reise, von der er nicht ahnte, was sie ihm bringen würde, hat Delisle eine Graphic Novel gezeichnet, die jetzt auch auf Deutsch erschienen ist. Es ist eine Art gezeichnetes Tagebuch, in dem der Autor manchmal nüchtern, manchmal mehr oder weniger emotional über den Alltag in Ostjerusalem und Israel berichtet. Delisle begegnet israelischen Arabern, Charedim, Priestern und vielen Mitarbeitern von NGOs. Leider trifft er weniger auf den durchschnittlichen Jerusalemer. Aber gibt es den überhaupt? Und wohin mit so vielen Religionen in einer Stadt?

Diese und weitere, oft zermürbende Fragen ziehen sich durch das 336-seitige Buch, das ganz zurückhaltend in warmen Brauntönen daherkommt. Nur selten zeigt es Farbkleckse, etwa bei Konflikten an den Grenzübergängen. Die oft beklemmenden Situationen, in die Delisles Alter ego gerät, eine kleine gezeichnete Figur, die an das HB-Männchen der 60er-Jahre erinnert, betrachtet der Autor distanziert. Seine Graphic Novel nimmt nicht Partei, sondern ist eine Momentaufnahme aus einem Land, mit dem die meisten Menschen außerhalb zu viele schlechte Nachrichten und Bilder verbinden.

Guy Delisle: »Aufzeichnungen aus Jerusalem«. Reprodukt, Berlin 2012, 336 S., 29 €

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Zwischenruf

Was bleibt von uns?

Was bleibt eigentlich von uns, wenn Apple mal wieder ein Update schickt, das alles löscht? Jede Höhlenmalerei erzählt mehr als eine nicht mehr lesbare Floppy Disk

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025