Ein bisschen Filler unter die Tränensäcke, etwas noch in die Zornesfalte, und die Jawline wird auch ganz neu definiert. Wo ist das Problem? Der Schönheitschirurg mit dem Künstliche-Zähne-Lächeln weiß gar nicht, warum Moritz Bleibtreu so sehr an diesen Zweiflerfalten hängt, die er mit aller Kunst der ästhetischen Medizin beseitigen möchte.
Es geht in diesem Fall ja nicht nur um Schönheit, sondern um etwas noch viel Besseres: die Rolle im neuen Film von Christopher Nolan. Also bitte, dafür kann man sich doch auch als Moritz Bleibtreu mal unters Messer legen, oder? Aber da hat der schöne Chirurg nicht mit dem Sturkopf des Schauspielers gerechnet. Nach einem umgeworfenen Werbeschild und einem filmreifen Abgang steht Bleibtreu nun vor seinem Agenten Konstantin, der erleichtert ist, dass sich doch noch alles zum Guten wenden wird.
Na ja, vielleicht … denn in der Serie Call my Agent Berlin, die Kabale und Liebe der Schauspielagentur »Stern« am Kurfürstendamm zeigt, ist immer Drama. Ein seriöser Schauspieler fühlt sich nicht ernst genommen, eine noch seriösere Schauspielerin fühlt sich zu ernst genommen. Der eine kann sich den Text nicht merken, und die andere möchte ins komödiantische Fach, ohne einen Funken komisch zu sein. Und dann stirbt auch noch der Chef Richard Stern.
Samuel Finzi, Iris Berben, Katja Riemann und Shahak Shapira spielen sich selbst.
Lauter Probleme zur unpassendsten Zeit. Dann wäre da auch noch Sophie Goldbach, die plötzlich Assistentin der zickigen Agentin ist, obwohl Sophie das eigentlich gar nicht wollte, denn eigentlich sucht sie in der Agentur jemand ganz anderen. In zehn Folgen bietet die Disney+ Serie einen wundervoll selbstironischen Blick auf die deutsche Filmlandschaft. Namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler wie Katja Riemann, Iris Berben, Samuel Finzi oder Shahak Shapira stellen sich selbst dar und sorgen für eine ganze Staffel gepflegten Eskapismus mit vielen Lachern.
Ein Regisseur mit Mundgeruch
Diese erfrischende Selbstironie hat ihren Ursprung nicht in Deutschland, sondern in Frankreich, in der Serie Dix pour Cents, die dort mittlerweile schon in die fünfte Staffel geht und mit großen Namen wie Charlotte Gainsbourg, Jean Dujardin oder Juliette Binoche aufwartet. Einfach wundervoll, wenn sich alle und ihr ernst zu nehmendes Fach selbst aufs Korn nehmen.
Ganz so knackig, wie es im französischen Original gelingt, wird es bei Call my Agent Berlin nicht, aber im Vergleich zu sonst so bierernsten deutschen oder angeberischen Berlin-Serien ist Call my Agent Berlin sehr gelungene Unterhaltung, die Spaß macht und die – so natürlich nur eine leise Ahnung – manchmal vielleicht doch gar nicht so weit von der Realität entfernt ist.
Ein Regisseur mit Mundgeruch, zwei Lästernde, drei Lästernde, eigentlich lästern alle über jeden und jede. Hauptdarsteller laufen in historischen Kostümen auf, Sinnkrisen und Futterneid um die nächste Rolle und den nächsten bedeutenden Film sind an der Tagesordnung. Hinzu kommen die diversen Persönlichkeiten und Spleens der Schauspieler und natürlich Liebe und Eifersucht.
Sinnkrisen und Futterneid
Die Schauspielerinnen und Schauspieler von Call my Agent Berlin fangen auch manche lang wirkende Szene durch ihre Spielkunst und ihren Humor auf. Wie Benny O. Arthur als Assistent Louis, der immer bestens gekleidet ist. Wenn Veronica Ferres Stand-up-Comedienne werden möchte und ihre Agentin (Hellen Miller) mit ihrem Agenturhund Werner Herzog sie dabei unterstützt, obwohl niemand lacht – nicht einmal Shahak Shapira, der sie auf der Bühne ankündigt –, oder wenn es Heiner Lauterbach bei seiner Rede auf der Beerdigung des Agenturchefs schafft, eigentlich nur über sich selbst zu reden, dann ist das nicht nur komisch, sondern auch richtig gut gespielt.
Die Berliner Schauspielerin Janina Elkin, die die heimlich in den neuen, blendend aussehenden Agenturchef Gabor (Lucas Gregorowicz) verliebte Assistentin Janina spielt, verleiht Call my Agent Berlin mit ihrer zurückhaltenden Zartheit und ihrer großen Liebe den richtigen Ton im ganzen Gezeter um sie herum.
Elkin ist gebürtige Kiewerin und kam mit ihrer Familie, die auch jüdische Wurzeln hat, in den 90er-Jahren nach Deutschland. Viele Jahre spielte sie unter anderem in der Kinderserie Schloss Einstein die Chemielehrerin Anna-Carina Levin und hatte eine Rolle in der Miniserie Das Damengambit.
Janina Elkin und Lucas Gregorowicz verleihen der Serie das gewisse Etwas.
Nun also die Rolle der Janina, die mit der Ankunft der jungen Assistentin Sophie in der Agentur schnell wittert, dass ihre Liebe zu Gabor in Gefahr geraten könnte. Schwankend zwischen gekränkt und verletzt, zwischen fordernd und höflich kämpft Janina um ihre noch nicht öffentliche Beziehung.
Was Sophie, die nach ihrem Arbeitstag in der schillernden Agentur in ein Hostel zum Schlafen geht, jedoch eigentlich will, zaubert Janina letztlich ein Lächeln ins Gesicht.
Es ist die perfekte Winter-Serie: ein bisschen Drama, ein wenig Intrige, schöne Menschen, coole Büros, ein Hauch Berlin-Kitsch und bissiger Humor. Hoffentlich kommt bald die zweite Staffel.
»Call my Agent Berlin« läuft beim Streaming-Dienst Disney+.