Carla Ranicki

»Familie war ihm sehr wichtig«

Frau Ranicki, vor wenigen Wochen waren Sie in Frankfurt, wo Ihren Großeltern eine Gedenkplakette gewidmet wurde. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Es war sehr bewegend. Meine Großeltern haben seit den 70er-Jahren dort gelebt. Ich wurde 1979 geboren, also waren sie mein ganzes Leben lang an diesem Ort. Es war für mich immer ihr Zuhause. Dort zu sein, hat Erinnerungen an die vielen Male zurückgebracht, an denen wir meine Großeltern besucht haben. Dass es dieses Gedenken an sie gibt, an dem Ort, an dem die beiden so lange lebten, ist sehr schön.

Hatten Sie Gelegenheit, einige Nachbarn zu sehen?

Während wir in Frankfurt waren, haben wir einige von ihnen, die wir von früher kennen, getroffen. Sie waren gut mit meinen Großeltern und auch mit meinen Eltern befreundet. Es ist also sehr schön, diese Verbindung sowohl zu dem Haus, in dem meine Großeltern lebten, als auch zu den Menschen, die sie kannten, zu haben.

Wie erinnern Sie sich an Ihre Großeltern?

Das kann ich gar nicht in einem Satz zusammenfassen. Sie sind in meinem Leben sehr präsent. Mein Vater ist ein Einzelkind, er hatte eine sehr enge Beziehung zu seinen Eltern. Ich habe sie sehr oft gesehen. Als ich noch klein war, haben sie uns – besonders meine Großmutter – immer in Edinburgh besucht. Wir waren aber auch viel in Deutschland, und ich bin sehr froh darüber, dass ich sie so lange in meinem Leben hatte.

Gab es einen besonderen Augenblick, in dem Sie sich gewünscht haben, Ihre Großeltern bei sich zu haben?

Vor eineinhalb Jahren wurde mein Sohn geboren, und das ist natürlich ein klassischer Augenblick, an dem ich mir gewünscht habe, dass meine Großeltern da gewesen wären. Es hätte sie sehr glücklich gemacht. Wie schön wäre es gewesen, hätte er die beiden kennenlernen können. Mein Sohn heißt Nico Marcel Vallauri. Den Mittelnamen hat er von meinem Großvater. Ich bin gemäß der jüdischen Tradition auch nach den beiden Großmüttern meines Vaters benannt, Carla Helen Emily Ranicki.

Was werden Sie Ihrem Sohn über seine Urgroßeltern erzählen?
Wenn er alt genug ist, werde ich ihm aus ihrem Leben berichten, denn ihre Geschichte ist unglaublich. Was sie durchleben mussten, wie sie es durchlebt haben, und auch ihre Zeit nach dem Krieg ist interessant. Ich möchte meinem Sohn so viel wie nur möglich davon erzählen, damit ihre Geschichte weitergegeben wird. Und natürlich soll er auch erfahren, was für Menschen sie waren. Meine Großmutter war eine sehr warme und liebevolle Frau. Mein Großvater war ein Charakter – jeder in Deutschland kennt seine Art. Er war sehr fordernd, aber auch sehr warmherzig und jemand, der stolz auf das Erreichte war. Familie war ihm immer sehr wichtig.

Gibt es eine Geschichte aus dem Leben Ihrer Großeltern, an die Sie sich besonders gut erinnern?
Eigentlich nicht, denn wir haben nicht so viel über die Vergangenheit gesprochen. Es waren eher kleine Sachen, die beide hier und da mal erwähnten. Für mich kam mit der Biografie meines Großvaters erst Struktur in die Erzählungen. Es ist schön für mich, dass ich alles das, was beide erlebt haben, in einem Buch nachlesen kann. Viele Menschen, deren Großeltern bereits gestorben sind, können dies nicht.

Mit der Übersetzerin und Enkelin von Teofila und Marcel Reich Ranicki sprach Katrin Richter.

Lesen Sie auch:
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/27161

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025