Sehen!

Fagin in Nadelstreifen

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

England, 1961. Die 16-jährige Jenny (Carey Mulligan) ist eine Musterschülerin. Angetrieben von ihren ehrgeizigen Eltern, hat sie nur ein Ziel: in Oxford zu studieren. Dann aber begegnet sie David Goldman (Peter Sarsgaard), wohlhabend, charmant, Mitte dreißig, Jude. Mit ihm und seinen Freunden lernt sie eine andere Welt kennen, mit Jazz, Partys und Wochenendreisen nach Paris, der Stadt aus Jennys Träumen. Ihre Studienambitionen schwinden dahin, denn Ehefrauen reicher Geschäftsmänner brauchen keine Universitätsabschlüsse.

Fieser Jude Lone Scherfigs Film An Education kam 2009 in die Kinos und gewann zahlreiche Auszeichnungen. Jetzt liegt er als DVD vor. Mit genauem Blick zeichnen Scherfig und ihr Drehbuchautor, der Schriftsteller Nick Hornby, die Gefühlswelt einer 16-Jährigen und das repressive Milieu der englischen Mittelschicht kurz vor den Turbulenzen der 60er. Mehr als problematisch ist allerdings die Figur des David. Hinter der Fassade des Gentlemans verbirgt sich ein Hehler, Dieb und Ausbeuter, der als Immobilienspekulant »Shvartzers« (jiddisch für Farbige) aus ihren Wohnungen vertreibt und in Häuser einbricht. »So sind wir nun einmal«, entschuldigt David sich wie ein moderner Jud Süß.

Auch Jenny wird Opfer seiner Lügen. Offenbar hatte ihre Lehrerin recht, die das Mädchen vor diesem »Jesusmörder« warnte, weil Juden gar nicht anders könnten, als zu betrügen, stehlen und kleine Christenmädchen zu korrumpieren. Eigentlich schuldig, scheint der Film zu sagen, ist nicht der zwanghafte Lügner David, sondern die naiven Eltern, die ihr kleines Mädchen diesem Fagin im Nadelstreif überlassen haben. So steht am Ende der titelgebenden Bildung der Protaganistin die Erkenntnis: Hör’ auf deine Lehrer und trau’ keinen Juden. An Education gibt sich als Satire, ist aber, trotz Witz, Scharfsinnigkeit und exzellenten Schauspielern, letztlich nichts anderes als gut inszenierter Antisemitismus.

»An Education,« DVD, 96 min., Deutsch/Englisch, Sony Pictures Classic, 12,90 €

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025