Meinung

Ende gut, nichts gut

Foto: picture alliance/dpa

Am 25. September wird sie Geschichte sein. Dann nämlich schließt die 15. Ausgabe der Weltkunstausstellung, besser bekannt als documenta fifteen, ihre Pforten. Ob damit ebenfalls die Diskussionen ein Ende finden, inwieweit es dort Werke mit einer antisemitischen Bildsprache zu sehen gab und die Organisatoren auf die zahlreichen Vorfälle kompetent reagiert hatten oder nicht, das darf bezweifelt werden.

Auch die Beantwortung der Frage, was an den im Rahmen des »Tokyo Reels Film Festivals« gezeigten und Terror verherrlichenden propalästinensischen Propagandafilmchen des Kollektivs »Subversive Film«, die laut Einschätzung des Expertengremiums zahlreiche antisemitische und antizionistische Versatzstücke sowie hochproblematische Kommentare enthielten, eigentlich Kunst gewesen sein soll, die man unbedingt in Kassel zeigen musste, bleibt noch offen.

KURATOREN Ebenso irritieren nach wie vor die ständigen Verweise auf die Befindlichkeiten der aus dem sogenannten »Globalen Süden« stammenden Kuratoren und Künstler, auf die man bitteschön immer Rücksicht nehmen sollte – die Befindlichkeiten anderer, allen voran der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, hatten in diesem Kontext von Anfang an keine Rolle gespielt und wurden zumeist lapidar beiseite gewischt.

Im Mittelpunkt der documenta standen laut der aus Indonesien stammenden Kuratorengruppe ruangrupa das Teilen und das Kollektiv, wobei sich viel um die Idee des Tauschhandels drehte, ganz nach dem Motto: Jeder bringt sich ein und bekommt womöglich auch etwas zurück. Damit würden alle zum Gesamtbild beitragen. Die Weltkunstausstellung sollte zugleich ein Brutkasten für solche Prozesse sein.

PRESSEZENTRUM Eine Gruppe, die definitiv mit zum Gesamtbild beigetragen hatte, saß im Pressezentrum, das nach indonesischen Straßencafés warung kopi benannt wurde. Sie erhob die Beantwortung von Presseanfragen zu einer ganz eigenen Kunstform, die es zu würdigen gilt.

Beispielsweise reagierte man auf eine Anfrage dieser Zeitung, ob nun israelische Künstler nach Kassel eingeladen waren oder nicht, mit folgenden Worten: »Es gibt Beteiligte aus Israel, Einladungen erfolgten jedoch nicht aufgrund nationaler oder anderer Zugehörigkeiten, sondern aufgrund der Praxis der eingeladenen Beteiligten und deren Relevanz für und Kompatibilität mit der lumbung-Praxis der documenta fifteen. Aus diesem Grund wurden beispielsweise bei der Verkündung der beteiligten Künstler*innen auch Zeitzonen statt Angaben von Nationalitäten kommuniziert.«

ZEITZONE So weit, so Dada – Israelische Künstler blieben im Programm der documenta jedenfalls unauffindbar, eine Recherche unter dem Begriff GMT + 3, also der Zeitzone, in der sich Israel befindet, führte ebenfalls zu keinem Ergebnis. Einer weiteren Bitte, doch Namen der angeblich eingeladenen israelischen Künstler zu nennen, weil man an einem Interview Interesse hätte, wollte man übrigens nicht nachgehen.

»Insofern nationale, religiöse oder anderen Zugehörigkeiten von beteiligten Personen nicht für deren künstlerische Praxis zentral sind oder aus anderen Gründen von den Beteiligten aktiv kommuniziert werden, werden diese Zugehörigkeiten mit Blick auf die beteiligten Personen weder offengelegt, noch als Gegenstand oder Grundlage von Interviews angeboten«, hieß es aus der Pressestelle.

Angesichts der auffällig hohen Anzahl von Exponaten, die sich in irgendeiner Weise mit dem Nahostkonflikt beschäftigten und dabei unisono eine dezidiert antiisraelische Schlagseite aufwiesen, klingt das alles absurd – insbesondere wenn man sich die Ankündigungen der Beiträge von »Subversive Film« anschaut, die als »Gemeinschaftswerk britischer, italienischer, deutscher, palästinensischer, ägyptischer, irakischer und japanischer Filmemacher*innen« präsentiert wurden.

Zeitzonen schienen hier wenig relevant gewesen zu sein. Und auf den Wunsch nach einem palästinensischen, irakischen oder vielleicht indonesischen Interviewpartner wäre die Replik gewiss anders ausgefallen.

TARING PADI Faszinierend war ebenfalls die Antwort auf eine andere Anfrage der Jüdischen Allgemeinen, diesmal zu dem großformatigen Wimmelbild mit dem Titel »All Mining is dangerous« der mehrfach auffällig gewordenen indonesischen Künstlergruppe Taring Padi. Dieses hatte für Schlagzeilen gesorgt, weil plötzlich eine langnasige und mit wulstigen Lippen versehene Figur, deren Kopfbedeckung als Kippa gedeutet werden konnte, überklebt worden war. Es werde noch »reflektiert, unter welchen Umständen es zu einer Veränderung der Bildbeiträge gekommen ist«, hieß es erst einmal.

Offensichtlich hatte niemand mehr Durchblick, was vor Ort eigentlich geschah. Deshalb wollte die künstlerische Leitung der documenta unter Beteiligung von Taring Padi das Bildmaterial noch erläutern. »Diese Darlegung wird den Gesellschaftern zugeleitet, damit diese ihrerseits unter Hinzuziehung von fachlicher Expertise zu einer Bewertung gelangen können, die dann durch die Künstlerische Leitung der documenta fifteen zu würdigen sein wird.«

Zugleich aber hob man hervor: »Die Künstlerische Leitung der documenta fifteen ruangrupa betont auch in Rücksprache mit Taring Padi: ›In dem Werk All Mining is Dangerous (2010) ist keinerlei antisemitische Bildsprache zu verzeichnen, wir tragen derzeit umfassende Informationen zusammen, um dies auch Kritiker*innen deutlich zu machen‹.« Also auf der einen Seite sollten Experten dazu befragt werden, gleichzeitig meinte man aber schon vorher zu wissen, dass es sich nicht um judenfeindliche Motive handelt – auch das klang reichlich irritierend und wenig stringent.

Am Sonntagabend wird der Spuk in Kassel vorbei sein. Was bleibt, ist der Eindruck, dass eine der wohl wichtigsten internationalen Kunstausstellungen gemanagt wurde wie das Autonome Zentrum einer deutschen Provinzstadt. Und natürlich die Hoffnung, dass es in fünf Jahren, wenn die nächste documenta stattfinden wird, etwas professioneller zugeht.

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