Kino

Dschihad für Dummies

Vögel für den heiligen Krieg: Faisal versucht, Krähen zu fliegenden Bomben zu dressieren. Foto: verleih

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

Vier Nebbichs aus Sheffield beweisen es: Islamistischer Terrorismus ist gar nicht so einfach. Faisal zum Beispiel hortet in seiner Garage dutzende Flaschen Bleichmittel, um daraus einen Sprengsatz zu bauen. Sein Terrorzellenbruder Barry ist entsetzt: »Die verhaften uns!« Faisal beruhigt ihn: »Ich hab’ im Supermarkt so getan, als wäre ich von der IRA.« Das ist lustig, obwohl Terrorismus an sich nicht zum Spaßen ist. Deshalb ist die englische Satire Four Lions, die in dieser Woche in die deutschen Kinos kommt, so irritierend komisch.

Die titelgebenden vier Löwen, die den Märtyrertod suchen, sind: Faisal, der verklemmte Sprengstoffexperte der Gruppe, der Krähen zu fliegenden Bomben dressieren will und eine Drogerie als Anschlagsziel vorschlägt, weil »Kondome und Tampons uns nur in Versuchung führen, mit Frauen zu schlafen«; der tumbe Waj, ein großes Kind, das Kaninchen nicht von Hühnern unterscheiden kann; Barry, ein übereifriger Konvertit, der zwar kein Arabisch, Urdu oder Farsi spricht, aber verkündet, »total Al Qaida« zu sein. Und schließlich Omar, Anführer und Kopf der Gruppe – klug, berechnend, aber besessen.

islamistische loser Die vier tollpatschigen Amateure erinnern eher an Figuren aus einer Komödie der Coen-Brüder als an die Most-Wanted-Liste des FBI. Bei ihrer Ausbildung in Pakistan jagen sie aus Versehen ihr Terrorcamp in die Luft und stolpern auch sonst wie Inspektor Clouseau von einer Peinlichkeit zur nächsten. Mit dem Unterschied eben, dass sie nicht für Interpol arbeiten, sondern sich bei einem Charity-Marathon in die Luft jagen wollen.

Das ist die verstörende Schwebe, die Four Lions schafft: Einerseits sind die Protagonisten fast schon sympathische Verlierer, andererseits überzeugte Terroristen, voller Verachtung für den Westen. Und nicht zuletzt Judenhasser. »Wer Orangen aus Jaffa kauft, der bezahlt Israels Raketen, der ist ein Jude!«, argumentiert Barry etwa gegen zionistische Zitrusfrüchte.

Als sein verrosteter Wagen nicht anspringt, wirft er auch dem Auto vor, jüdisch zu sein. »Welches Teil denn?«, fragt der genervte Omar. »Die Zündkerzen! Weiß doch jeder, dass die von Juden erfunden wurden, um den internationalen Stromhandel zu kontrollieren!«, klärt ihn Barry auf. Seit Sacha Baron Cohen als kasachischer Reporter Borat erläuterte, Juden hätten Hörner und könnten sich in Kakerlaken verwandeln, wurde der dem Antisemitismus inhärente Wahnsinn nicht mehr so drastisch vorgeführt.

tabulos So mag es Regisseur Chris Morris: Komplex, widersprüchlich und ohne Rücksicht auf Tabus. In den Neunzigern parodierte er im britischen Fernsehen die sensationsheischende Hysterie, mit der die Medien über Drogen, Kriminalität und Pädophilie berichten. Dafür hagelte es Beschwerden und Drohungen. Die »Daily Mail« nannte Morris damals »krank« – und spekulierte in der gleichen Ausgabe über die Körbchengröße einer 15-jährigen Popsängerin.

Auch Four Lions, Morris’ Spielfilmdebüt, wird von heuchelnden Sittenwächtern kritisch beäugt, einschließlich hiesiger. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer verkündete im Januar, es wäre besser, wenn der Film nicht in deutschen Kinos laufen würde. Um Zensur gehe es ihm nicht, erklärte der bayrische Politiker: Er habe nur Angst, dass »Öl ins Feuer gegossen werden könnte«, weil die Satire »die Befindlichkeiten der momentanen Bedrohungssituation durch ihre komödiantische Auseinandersetzung verstärken könnte«. Wenn etwas der Satire bedarf, dann diese Befindlichkeiten.

Der Film macht also alles richtig. Er fällt nicht in islamophobes Hysteriegeschrei ein, beschönigt aber nichts und bleibt bis zum Ende unversöhnlich. Er nimmt den mörderischen Hass seiner Figuren ernst und gibt ihn doch der Lächerlichkeit preis. Als Cornflakes-Maskottchen verkleidet, will Omar sich und Hunderte Menschen in London in die Luft sprengen. Das ist grausam und absurd zugleich. »Die Schlacht um Algier, nur mit Gags« wollte Morris drehen. Das ist ihm hervorragend gelungen.

USA

Trauer um Filmmusiker Mark Snow

Der Komponist starb am Freitag im Alter von 78 Jahren

 05.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 03.07.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  03.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.07.2025

Sehen!

»Hot Milk«

Die Mutter-Tochter-Geschichte unter der Regie von Rebecca Lenkie­wicz ist eine Adaption des Romans von Deborah Levy

von Anke Sterneborg  03.07.2025

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025