»Ich liebe Frauen. Es gibt nichts, was ich mehr liebe.« Dieser Satz des Modefotografen Helmut Newton (1920-2004) ist so streit- und interpretierbar wie seine Werke selbst. Seine Bilder pendeln zwischen Abbildern starker Frauenfiguren einerseits und Vorwürfen der Sexualisierung andererseits. Genau diese Spannung wird in der neuen Doppelausstellung »Newton, Riviera« und »Dialogues. Collection Fotografis x Helmut Newton« der Helmut-Newton-Stiftung deutlich, die ab Freitag im Berliner Museum für Fotografie zu sehen ist.
Die Ausstellungen beleuchten das Œuvre von Helmut Neustädter, wie der in Berlin geborene Fotograf mit bürgerlichem Namen hieß. Er wuchs in den 1920er Jahren als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Knopffabrikantenfamilie auf und startete mit 16 eine Lehre in einem Fotostudio. Später musste die Familie vor den Nationalsozialisten fliehen.
Über Singapur gelangte er nach Australien, wo er als Fotojournalist arbeitete und seinen Namen in Newton änderte. Der Durchbruch gelang ihm in den 1970ern, seine teils als provokant gesehenen Mode- und Aktfotografien wurden weltbekannt. Künstlerisch aktiv war Newton in dieser Zeit besonders an der französischen Riviera.
Extravaganz trifft auf Beton
Auf diesen Ort fokussiert die Ausstellung »Newton, Riviera«. Typisch für seine Schaffensphase an der französischen Mittelmeerküste war die Verbindung einer mondänen, extravaganten Gesellschaft mit kontrastreichen Elementen wie Beton, Baustellen und Bergen. Und so fällt der Blick in der Ausstellung unweigerlich auf ein bestimmtes Bild: Eine Frau steht auf einem Felsen, breitbeinig, mit festem Stand. Den Blick selbstbewusst gen Kamera gerichtet, trägt sie einen Gesteinsbrocken, der um ein Vielfaches größer ist als ihr Gesicht. Ein starkes Bild im mehrfachen Sinne, erschienen in der »American Vogue« 2003.

Ein anderes Bild zeigt die Spannung in Newtons Werken: Eine Betonwand füllt das Bild fast vollends aus, am oberen Rand blitzt durch die Landschaft etwas Riviera-Flair hervor. An der rechten Seite steht eine Frau, den Rücken zur Kamera. Ihr Körper trägt ein schwarzes Kleid, ihre langen Beine eine Strumpfhose - und ihr Kopf ist abgeschnitten. Am Bild für die »American Vogue« 1994 findet die Kritik einer weiblichen Objektifizierung sicher ihre Berechtigung.
Vermischung von Genres
Der Ausstellung, die mehr als 100 Fotografien umfasst, gelingt es, die Vermischung der Genres der Mode-, Porträt- und Aktfotografie in den Bildern Newtons aufzuzeigen. »Es ist die Verbindung, diese Vermischung immer wieder anders zu realisieren«, sagt Kurator und Stiftungsdirektor Matthias Harder. Ist es noch Modefotografie oder schon Aktaufnahme?
Seine Bilder hat Newton als Auftragsfotograf geschossen. »Mithilfe der Magazine hat er ein Werk geschaffen«, sagt Harder. Er habe die Magazine oft von seinen außergewöhnlichen Ideen überzeugen können. »Das ist für die Fotografie des 20. Jahrhunderts selten.« Und manchmal war das auch mit Folgen für die Magazine verbunden: Für ein Shooting für die »American Vogue« 1975 sitzt eine Frau männlich-breitbeinig auf einem Sofa, den Blick lüstern in Richtung des nackten Oberkörpers eines Mannes gerichtet, der am Bildrand steht. Diesmal ist es der männliche Kopf, der fehlt. »Das war eine absolute Provokation. Viele haben die Vogue daraufhin gekündigt.«
Zweite Ausstellung bringt neue Perspektiven
In der parallel gezeigten Ausstellung »Dialogues. Collection Fotografis x Helmut Newton«, die ebenfalls bis zum 15. Februar läuft, sind über 60 Bildpaare zu sehen - einer Fotografie von Newton wurde jeweils ein Werk eines berühmten Fotografen des 19. oder 20. Jahrhunderts gegenübergestellt, etwa Diane Arbus, August Sander oder Man Ray.
Die Bildpaare treten in einen Dialog miteinander, zeigen mögliche Inspirationsquellen Newtons sowie zugleich verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen. Zwischen dem Bild »Patriotic Boy with Straw Hat« (1967) von Diane Arbus und dem Foto »Ed Ruscha in his Studio« (1988) von Newton liegen 21 Jahre - und ein anderer Blick auf den US-Patriotismus. Bei Arbus blickt ein junger Mann im Anzug neben der US-Flagge ernst, aber seriös in die Kamera. Bei Newton blickt der amerikanische Maler Edward Ruscha von unten in die Kamera, im Hintergrund ist die US-Flagge - aber auch ein Haufen Medikamente. Man könnte sagen: Der Vietnamkrieg, der zwischen diesen Aufnahmen lag, forderte seinen Tribut.