Kino

Die persischen Buddenbrooks

Szene aus »Baba Joon« Foto: pr/United King Films – Cinema City - Israel

Als David Ben Gurion am 14. Mai 1948 die Gründung des Staates Israel ausrief, entschlossen sich rund 3000 Kilometer östlich mehrere Tausend persischer Juden, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und ins Gelobte Land aufzubrechen. 31 Jahre später, die islamistischen Mullahs hatten gerade den prowestlichen Schah gestürzt und die Macht im Iran an sich gerissen, flüchteten erneut etliche Juden nach Israel.

Für fast alle diese Menschen war die Flucht eine Katastrophe. Persien, wo sie und ihre Familien zuvor mehrere Jahrhunderte gelebt hatten, war ihre Heimat. Auf der Suche nach einem freien Leben entschlossen sie sich trotzdem zur Flucht, wollten den Anfeindungen ihrer muslimischen Landsleute nicht länger ausgesetzt sein.

Geflügel Nun erzählt ein israelischer Film die Geschichte einer dieser Familien, die in Israel ihre neue Heimat fanden. Der israelische Regisseur Yuval Delshad porträtiert in seinem – vollständig in Farsi gedrehten – Spielfilm Baba Joon drei Generationen einer persisch-israelischen Familie, die im Süden Israels als Geflügelzüchter lebt.

Der Großvater war 1979 aus dem Iran nach Israel geflüchtet und baute dort gemeinsam mit seinem Sohn Yitzhak eine Geflügelfarm auf. Dadurch gelang es ihm, ein glückliches, wenn auch bescheidenes Leben zu führen. Nach Jahrzehnten harter Arbeit möchte er beruflich kürzer treten – und hofft darauf, dass sein Enkel Moti den Betrieb irgendwann übernehmen wird.

Der 13-Jährige indes interessiert sich mehr für Autos als für die Geflügelzucht. Es scheint, als ob an diesem Konflikt die gesamte familiäre Harmonie zerbrechen könnte. Moti rebelliert gegen den Lebensentwurf der Familie, während der Vater zwischen den Generationen steht und nie richtig in Israel angekommen ist (gespielt von Navid Negahban, bekannt aus der US-Serie Homeland, in der er den Al-Qaida-Führer Abu Nazir verkörpert).

auszeichnung Es ist kein politischer Film, den Yuval Delshad gedreht hat. Baba Joon erzählt vielmehr von der Lebensrealität, den Nöten und Hoffnungen seiner Protagonisten, die die Folgen der politischen Entwicklungen sind. In einem Interview sagte Delshad, der selbst Sohn von iranischen Israelis ist, dass er mit seinem Film das gegenseitige Verständnis von Israelis und Iranern verbessern möchte.

Und der Erfolg scheint ihm recht zu geben: Sein Werk gewann jüngst den Ophir Award, den bedeutendsten israelischen Filmpreis. Eine Veröffentlichung in deutschen Kinos ist geplant, der Starttermin allerdings noch unklar.

Auf eine andere Reaktion auf seinen Film ist der Regisseur mindestens ebenso stolz. »Auf unserer Facebook-Seite haben Tausende Iraner geschrieben, dass sie den Film unbedingt sehen wollen, und wie stolz sie darauf sind, dass ein iranischstämmiger Israeli ihn gedreht hat«, berichtet Delshad. Ohnehin ist er überzeugt, dass das islamistische Regime in Iran einer offenen, demokratischen Politik weichen wird. »Meine Generation wird den Iran sehen«, sagt Delshad. »Es ist nur eine Frage der Zeit.«

Der Trailer zum Film:
www.youtube.com/watch?v=MBsGhF1Pgo4

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