Glosse

Der Rest der Welt

Glosse

Der Rest der Welt

Der Ewige? Ist ein cooler Typ, singen Hadag Nachash

von Margalit Edelstein  12.10.2025 13:35 Uhr

Pünktlich zu den Feiertagen erreicht mich ein inspirierender TikTok-Clip der coolen israelischen Hip-Hop-Band »Hadag Nachash«: Ein Cartoon-Rabbi mit langem Bart und ein betender Typ im Tallit wirbeln vor himmlischem blauen Hintergrund an Wattewölkchen vorbei … dazu ertönt ein Song: »Der Ewige ist ein cooler Typ! Kauft unsere neue CD mit vielen tollen Tehillim drauf!«

Kein Witz: Die harten Jungs von Hadag Nachash, bekannt für ihren sozialkritischen Hip-Hop mit provokativen Texten, haben auf ihrem neuesten Album ihre 24 Lieblingspsalmen vertont. »Ich weiß, viele Leute werden es befremdlich finden, dass wir uns mit Tehillim beschäftigen«, meint Frontmann Shaanan Streett in einem Interview.

Shaanan, Jahrgang 1971, in Rapper-Kluft, mit ergrauendem Hip-Hop-Bärtchen und Koteletten, meint, er glaube zwar nicht an Gott, habe aber eine sehr enge Verbindung zum Judentum, seinen Traditionen, Werten und Schriften. Die alten heiligen Bücher enthielten universelle Wahrheiten und gehören deshalb allen gemeinsam, so heißt es auf der Website von Hadag Nachash.

Die sechs Hip-Hopper sind übrigens nicht die Einzigen, die religiöse Inhalte mit Pop-Sounds vermischen. Jüdische Liturgie und Schriften spielen in der israelischen Popmusik eine zunehmend wichtige Rolle, man denke nur an die spirituell geprägten Hits von Popstar Ishay Ribo oder an Pop-Idol Omer Adam und seinen Hit »Mode Ani«, eine Neu-Interpretation des traditionellen Morgengebets.

Jüdische Liturgie und Schriften spielen in der israelischen Popmusik eine zunehmend wichtige Rolle.

Über diesen Trend haben sich natürlich einige kluge Menschen Gedanken gemacht. Zum Beispiel Felix Papenhagen vom Institut für Jüdische Philosophie an der Universität Hamburg, er hat darüber sogar seine Doktorarbeit geschrieben.

Die zunehmende Religiosität in der israelischen Musik habe bereits Ende der 90er-Jahre begonnen, meinte Papenhagen in einem Interview.
Oft sei vom großen Vakuum die Rede, das sich nach dem Abklingen des zionistischen Traums aufgetan habe – eine Leere, die sich mit tiefer Sinnsuche füllte, besonders nach dem Mord an Yitzhak Rabin, der für viele das Ende einer Ära markierte.

Man dürfe dabei nicht vergessen: Israel sei das Einwanderungsland par excellence – ein Ort, an dem Jüdinnen und Juden aus allen Himmelsrichtungen zusammenfinden, getragen von unterschiedlichsten Prägungen, Geschichten und Sprachen. Was sie verbindet, ist oft nur ein schmaler Nenner – und dieser Nenner ist nicht selten die Religion, die sich als gemeinsamer Faden durch das vielstimmige Gewebe ihrer Identitäten zieht.

Wer einmal ein bisschen etwas von diesem multikulturellen israelischen Flair schnuppern will, der sollte sich die Hip-Hopper von Hadag Nachash live ansehen. Sie kommen aus unterschiedlichen kulturellen Ecken, und ihr abwechslungsreicher Sound vermischt allerlei Einflüsse – von arabischen und jemenitischen Klängen bis hin zu europäischen Vibes. Am 22. November spielen die sechs beim Abschlusskonzert der Jüdischen Kulturtage in Berlin. Mein Tipp: Hingehen.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Wieder hat sich Regisseur Philipp Stölzl kräftig vom Bestseller-Autor Noah Gordon anregen lassen

von Peter Claus  19.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  18.12.2025