Glosse

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images

Glosse

Der Rest der Welt

Sweet Sixteen im megahippen Hühnerstall oder Allein im Schlafzimmer

von Margalit Edelstein  26.10.2022 15:01 Uhr

Es ist eine tolle Party. Der ganze Raum ist mit Hunderten von kleinen LED-Lichtern dekoriert, die wie Glühwürmchen aussehen, die Torte dreistöckig und fluffig wie eine Wolke, Emmas gesamte Freundinnenschar ist da, es kichert, kreischt und gackert wie in einem mega-hippen Hühnerstall. Tja, mit dieser Party habe ich mich wieder einmal selbst übertroffen.

Schade, dass ich das alles nur aus der Entfernung mitkriege.
Ja, Sie haben es erraten: Ich darf nicht rein. Muss draußen bleiben. Wurde in mein Schlafzimmer verbannt, während drei Räume weiter die von mir perfekt organisierte, geplante und dekorierte Sweet-Sixteen-Sause meiner Tochter stattfindet. Eltern unerwünscht! Das ist ein mieses Gefühl, kann ich Ihnen sagen.

pop-up-sukka Aber ich werde ja neuerdings immer rausgeschmissen, wenn die Freundinnen auftauchen. Auf einmal ist nichts mehr gut genug, was ich tue, mache, sage. Sukkot zum Beispiel. Ich hatte extra eine Pop-up-Sukka besorgt, kam mir richtig trendy vor. Na ja, eigentlich ist es nur eine Pop-up-Camping-Polyester-Duschkabine aus dem Internet, wo anderthalb Leute reinpassen.

Aber trotzdem nicht nett, dass Emma während der Sukkot-Feiertage kaum zu Hause aufgetaucht ist, sondern dauernd bei ihrer besten Freundin Noa rumgehangen hat. Deren Eltern sind im Diamantenbusiness und haben wahrscheinlich eine XXL-Sukka aus poliertem Echtholz mit Fußbodenheizung im Garten stehen.

Klinge ich verbittert? Kann schon sein. Denn Emma verschwindet immer öfter zu dieser Noa und übernachtet auch dauernd dort. Ein entzückendes Mädchen eigentlich, diese Noa, sie hat ihr eigenes Loft direkt über ihren Eltern, ein riesengroßes Bett wie eine duftige Satin-Wolke, wo alle Freundinnen reinpassen, und einen eigenen Kamin hat sie auch. Und jeden Samstagabend kuscheln sich alle Freundinnen unter die Bettdecke, die Haushälterin bereitet heißen Kakao, und dann futtern sie Marshmallows und gucken die Gilmore Girls bis morgens um vier. Man könnte sie beinahe um ihre Dekadenz beneiden.

schlafzimmer-exil Doch zurück zu Emmas Geburtstagsparty, die ich immer noch von meinem einsamen Schlafzimmer-Exil miterlebe … Ach, jetzt rufen sie gerade nach mir. Vermutlich darf ich jetzt die Torte reinbringen und verteilen und muss die Chips und Erdnussflips nachfüllen.

Die Torte ist ein Traum! Mit 16 rosé-goldenen Kerzen und einer glitzernden Tiara als Dekoration. Außerdem habe ich Emma eine rosa Schärpe mit »Sweet Sixteen« in Goldschrift besorgt – sie sieht umwerfend aus!

Schon 16! Viel zu schnell ist die Zeit vergangen. Hat irgendjemand die winzige Träne bemerkt, die ich mir verstohlen aus dem Augenwinkel gewischt habe?

Als die Party vorbei ist, ich endlich alles aufgeräumt und abgewaschen habe und müde in mein Bett krieche, finde ich einen Umschlag auf meinem Kissen, mit einem Gutschein von Emma: für eine ganz private Sweet-Sixteen-Party, diesen Samstagabend auf unserem Sofa, mit Kuscheldecke, heißem Kakao, Marshmallows und Harry Potter, Folgen 1 bis 6.

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025