Finale

Der Rest der Welt

Willkommen am Berliner Hauptbahnhof Foto: IMAGO/Marius Schwarz

Finale

Der Rest der Welt

Blau-Gelb überall: Berlin ist dieser Tage eine andere Stadt

von Eugen El  30.03.2022 11:51 Uhr

So habe ich Berlin noch nie erlebt. Diese große, viel zu große Stadt wirkte auf mich bisher eher gleichgültig, kühl und abweisend. Doch als ich an einem sonnigen Märzwochenende nach einer halbjährigen Pause wieder in die Hauptstadt reiste, stand dort alles im Zeichen einer Flagge und eines Gefühls.

Die blau-gelbe Fahne der Ukraine begegnete mir im Hauptbahnhof gleich nach dem Ausstieg aus dem Intercity-Zug auf einer Tafel, versehen mit einem handschriftlich auf Russisch notierten Hinweis: »Maske tragen!« Die blau-gelbe Flagge entdeckte ich dann auch eher zufällig zwischen lauter bunten Plakaten auf der Eingangstür eines koscheren Supermarktes in Charlottenburg.

Imperium Dort, wo man seit jeher auch von »Charlottengrad« spricht, wo viele Russisch sprechen, egal, aus welcher Ecke des in manchen Köpfen nicht enden wollenden Sowjetimperiums die Menschen kommen. Die Flagge der Ukraine wehte – das war die vielleicht größte Überraschung dieses Berlin-Wochenendes – auch auf dem Bode-Museum und weiteren Kulturtempeln auf der Museumsinsel. Schön, diese Geste, dachte ich, schön symbolisch vor allem! Aber haben sich ebendiese Museen noch vor ein, zwei Monaten mit der Ukraine und ihren Kulturen beschäftigt, wussten sie damals überhaupt von deren Existenz?

So symbolisch das Hissen einer Flagge bleibt, so handfest und konkret ist die Hilfe, die unzählige Freiwillige leisten.

So symbolisch das Hissen einer Flagge bleibt, so handfest und konkret ist die Hilfe, die unzählige Freiwillige leisten, indem sie die aus dem Kriegsgebiet ankommenden Menschen bei ihren ersten Schritten in der Fremde unterstützen. Die unermüdlichen Volunteers sind nicht nur im Hauptbahnhof zu finden: Quer durch die viel zu große Stadt verteilen sich Menschen, die das Notwendigste spenden, Wohnungen zur Verfügung stellen – und damit ein Gefühl überwältigender Hilfsbereitschaft vermitteln.

Gepäck Alles aber kulminiert im Hauptbahnhof, wo viele ukrainische Geflüchtete ankommen. Wenn die Frauen und Kinder mit ihrem Gepäck durch den Bahnhof eilen, auf der Suche nach dem richtigen Bahnsteig, dem nächsten russischsprachigen Helfer oder einer Bleibe für die nächste Nacht, wenn sie dann flüchtig aus der Bahnhofshalle hinausblicken, dann sehen sie das Reichstagsgebäude mit wehenden deutschen Fahnen.

Was mag in den zumeist noch sowjetisch erzogenen Menschen vorgehen, welches Gefühl verbinden sie mit diesem Anblick? Von dieser Frage überwältigt, reiste ich aus Berlin ab – einer Stadt, die sich verwandelt hat.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  14.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025