Finale

Der Rest der Welt

Nur echt mit 24 Türchen ... der WIZO-Weihnukka-Kalender Foto: Marco Limberg

Jede jüdische Frau hat irgendein Laster. Ich bin seit meiner Kindheit Fan von Adventskalendern. Eigentlich rede ich darüber nur mit Eingeweihten – einige meiner besten Freundinnen sind Christinnen –, denn in der jüdischen Community ist es bekanntermaßen nicht so angesagt, dem 24. Dezember in irgendeiner Form entgegenzufiebern.

Auch wenn es sich nur um kitschige Bilder hinter Papptürchen handelt und ich nie auf die Idee käme, tatsächlich Weihnachten zu feiern – außer natürlich auf Einladung meiner Schwiegereltern unter einem stilvoll geschmückten Tannenbaum.

Schwanken »Weihnukka«, das charakterlose kulturelle Schwanken assimilierter Diasporajuden zwischen den Lichterfesten Chanukka und Weihnachten, war schon vor mehr als 100 Jahren Zielscheibe des Spotts von Zionisten. Legendär ist in diesem Zusammenhang die Karikatur in der jüdischen Zeitschrift »Schlemiel« von 1904, in der sich »der Chanukkaleuchter des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte«.

Bis vor einigen Wochen hätte ich 1000 Schekel darauf gewettet, dass nicht nur Christbäume, sondern auch Adventskalender auf dem Index deutscher Zionisten stehen, doch zum Glück gibt es auch deutsche Zionistinnen. Es lebe die WIZO, die verdienstreiche zionistische Frauenorganisation, die zum Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« endlich einen Adventskalender auch für Jüdinnen und Juden auf den Markt gebracht hat!

Ich habe mir das bunte Produkt sofort an die Wand in unserer Küche gehängt. Die Illustration ist einfach großartig: Da spaziert ein Weihnachtsmann mit roter Mütze und prall gefülltem Geschenkesack auf einer Wolke, die in Wirklichkeit eine dicke Sufgania ist, mit staunendem Gesicht in Richtung eines Chanukkaleuchters, an dem alle acht Kerzen brennen – und der Schamasch. Das nenne ich gelungene kulturelle Aneignung!

Natürlich darf nicht verraten werden, was sich hinter den Türchen verbirgt, aber da unsere Zeitung am 2. Dezember erscheint, erzähle ich Ihnen ohne Gewissensbisse, was ich hinter dem Schild für den 1. Dezember entdeckt habe. Nämlich eine Info, die Lust macht auf mehr: »4. Tag Chanukka – Gestempelte Erstausgabe ›Chai‹, Sonderbriefmarke 1700 Jahre jüdisches Leben e.V.«.

Hauptgewinn Verlost werden täglich weitere tolle Gewinne – auch ein Abo der Jüdischen Allgemeinen! Und weil die WIZO eine Wohltätigkeitsorganisation ist, werden mit dem Reinerlös des Weihnukka-Kalenders soziale Projekte unterstützt. Da kann doch kein deutscher Zionist meckern, wenn Juden und Nichtjuden in Deutschland notleidenden Israelis helfen … Den Hauptgewinn gibt es übrigens am 24. Dezember. Ich konnte mich nicht beherrschen und habe gespickt. Nur so viel: Es ist nicht der Stern von Bethlehem und fällt in die Kategorie »kosher style«. Oder?

Leider bleibe ich trotzdem der einzige Fan dieses WIZO-Projekts in unserer Familie. Mein Mann und mein Sohn, diese Materialisten, sind nämlich nicht an 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland interessiert. Sie wollen lieber Adventskalender mit Schokolade!

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024