Finale

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images/iStockphoto

Finale

Der Rest der Welt

Trillerpfeife, Albträume und Endorphine: Durchhalten lautet das Motto

von Margalit Edelstein  19.05.2021 18:14 Uhr

Er hatte Triefaugen, die klassische Pomadenfrisur, eine rote Cholerikervisage – und er war der Stoff meiner Viertklässler-Albträume. Mein Klassenlehrer Herr P., der dummerweise auch Sportlehrer war und es auf moppelige, kurzbeinige Kinder wie mich abgesehen hatte.

Er hatte eine schnarrende Stimme und eine schrillende Trillerpfeife, mit der er uns wie eine aufgescheuchte Hühnerschar durch die Turnhalle trieb, mal tonnenschwere Medizinbälle schleppend, mal auf einem Bein hüpfend. Pfröööt, pfröööt!, machte die Trillerpfeife, gnadenlos. Und wenn irgendwann alle nur noch keuchend in den Seilen hingen, dann, und erst dann, kam das Dessert, die Kirsche auf dem Törtchen sozusagen: Und das war ich.

lebensmotto Mit Trillerpfeifenstakkato wurde ich durch die Turnhalle gejagt, die Zunge hing mir aus dem Hals, und in meinem unschuldigen kleinen Viertklässlerhirn kochten Giftmordfantasien. So ging ein langes Schuljahr vorbei, und als ich endlich in die fünfte Klasse versetzt wurde, hatte ich mir ein neues Lebensmotto erarbeitet: No sports! Und nie wieder Trillerpfeifen in einem Radius von 50 Metern um mich herum! Daran habe ich mich bis heute gehalten. Sie existieren nur noch in meinen Albträumen, und ich genieße mein sportfreies Leben in vollen Zügen.

Ich dachte, ich gehe auf Nummer sicher und schiebe für den Rest meines Lebens eine ruhige Kugel, wenn ich jemanden heirate, der genauso moppelig ist wie ich. Ein guter Plan. Bis mein Mann auf die hirnverbrannte Idee kam, eine Diätberaterin zu engagieren, 20 Kilo abzunehmen und Joggen zu seinem neuen Hobby zu machen.

Ich dachte, ich gehe auf Nummer sicher und schiebe für den Rest meines Lebens eine ruhige Kugel, wenn ich jemanden heirate, der genauso moppelig ist wie ich.

Es folgten viele einsame Abende auf dem Sofa, in Gesellschaft von Ben & Jerry’s, denn mein Göttergatte war ja auf der Joggingpiste … bis der Moment eintraf, den ich gefürchtet hatte. Als Geburtstagsgeschenk getarnt, überreichte er mir einen Gutschein für einen Jahres-Jogging-Kurs.
Nach einer unruhigen Nacht voller Albträume, in denen ich von elefantengroßen Trillerpfeifen gejagt wurde, quälte ich mich in meinem viel zu knapp sitzenden Jogginganzug auf die Piste des örtlichen Sportvereins zu meiner ersten Stunde.

tipps Der Trainer hieß Dirk Jan, war um die 60 und hatte es an der Hüfte, sodass er leider nicht mitjoggen könne, meinte er. Er würde mir aber wichtige Tipps geben und mich anfeuern. Und los ging’s. Dirk Jan setzte sich gemütlich auf eine Bank und ließ mich eine volle Stunde lang Runden drehen, begleitet vom nervigen Getriller seiner Pfeife. Drei Minuten laufen! Triller, triller! Drei Minuten Gehen! Triller! Laufen, gehen!

Nach einer Stunde war ich ein schweißgetränktes Wrack und kroch auf allen vieren zurück zum Auto. Aber dann … auf einmal fühlte ich mich, wie soll ich es beschreiben, fantastisch, richtig high irgendwie. Ich googelte und fand heraus, was neueste Forschungen ergeben haben: Ganz egal, wie moppelig und unsportlich man ist oder wie langsam man joggt – nach ungefähr 60 Minuten Durchhalten sprudeln die Endorphine und bleiben danach noch stundenlang im Körper. Nächste Woche bin ich wieder auf der Piste … und meine Trillerpfeifen-Albträume sind längst überwunden.

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025

Aufgegabelt

Himbeer-Sorbet mit Zaatar

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025