Finale

Der Rest der Welt

Ich schütte erst einmal ein Tütchen Maalox in mich hinein, um mein aufkommendes Magengeschwür zu beruhigen. Foto: Getty Images

»Nächstes Jahr um diese Zeit bin ich ja schon weit weg …«, meint Emma und köpft verträumt ihr Frühstücksei. Ich verschlucke mich an meinem Kaffee. Wer, wie? Weit weg? Habe ich da irgendetwas versäumt? Unsere Tochter teilt uns mit, sie werde das nächste Schuljahr im Ausland verbringen – vielleicht in Peru oder Venezuela. Ob wir schon mal den großen Koffer vom Speicher holen könnten?

»MOMENT!«, sage ich in Großbuchstaben. Was geht hier vor? Emma rollt mit den Augen und teilt uns mit, ihre neuen Freundinnen aus dem Tanzkurs, die von der schicken Mädchenschule »Unsere Liebe Frau«, hätten neulich gesagt, das zehnte Schuljahr könne man im Ausland verbringen. Natürlich nur die Schüler mit extrem guten Noten, weil man nach dem Jahr dann den versäumten Schulstoff alleine nachholen müsse.

nachhilfelehrer Also, bitte einen Nachhilfelehrer engagieren, alles Weitere werde sie selbst regeln. Ach ja, und übrigens, hat jemand einen Fuffi? Emma muss dringend neue Klamotten shoppen, für das heiße Klima in Brasilien. Oder Kolumbien.

Ich schütte erst einmal ein Tütchen Maalox in mich hinein, um mein aufkommendes Magengeschwür zu beruhigen. Emma segelt an mir vorbei, Laptop unterm Arm, um schon mal die angesagtesten Strände zu googeln. Das Frühstück ist kaum vorbei, schon bin ich um Jahre gealtert. Gleich hänge ich mich ans Telefon, um mich mit meinen Freundinnen zu beratschlagen. Alle meinen, so ein Auslandsjahr wäre ganz toll für die persönliche Entwicklung und Selbstständigkeit des Kindes.

Was denn aus ihren Plänen geworden sei, erkundige ich mich einige Tage später, als Emma sich wieder einmal hinter ihrem Laptop verschanzt.

Selbstständigkeit? Emma kann nicht mal ein Ei kochen. Sie ist 14, und ich muss sie immer noch daran erinnern, genug zu trinken, Obst zu essen, ihre Zähne zu putzen, ab und zu ihr Zimmer zu lüften und das Bett zu machen. Regelmäßig muss ich ihr das Pausenbrot in die Schule nachtragen, weil Madame einen Hang zur Vergesslichkeit hat. Sie kann übrigens auch nicht gut mit Geld umgehen. Von der vielen Kohle, die Emma allein letztes Jahr verschlampt hat, könnte ich mir einen kleinen Dia­mantring kaufen. (Fake, natürlich. Aber trotzdem!)

McDonald’s Das kann ja heiter werden. Ich sehe Emma schon in irgendeiner kolumbianischen McDonald’s-Zweigstelle ihr fettiges Frühstück herunterschlingen, ungekämmt und mit schmutzigen Socken, woraufhin sie in irgendeiner zwielichtigen Gegend Autostopp macht, weil sie den Schulbus verpasst hat …

Ich stehe kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Da kommt mir die rettende Idee. Wenn Emma schon so erwachsen ist, kann sie sich ja ihr tolles Auslandsjahr ganz alleine organisieren. Ich rühre keinen Finger. Sie soll gefälligst selbst die Schuldirektorin anmailen.

Was denn aus ihren Plänen geworden sei, erkundige ich mich einige Tage später, als Emma sich wieder einmal hinter ihrem Laptop verschanzt. Sie hebt nur kurz den Kopf. Leider biete die Tachkemoni-Schule kein Auslandsprogramm an. Sie würde also gern wechseln, vielleicht zu »Unsere Liebe Frau«. Ich schütte gleich drei weitere Tüten Maalox in mich hinein. Ich bin gerade bei 15 Stück am Tag. Falls Sie wissen, wo man das Zeug billig online ordern kann, lassen Sie es mich bitte wissen.

Filmkritik

»Nobody Wants This« – die Zweite

Die Fortsetzung der Netflix-Hit-Serie »Nobody Wants This« ist angelaufen. Allerdings sorgen diesmal vor allem die Nebenrollen für randvolle Herzen. Vorsicht Spoiler.

von Sophie Albers Ben Chamo  06.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  06.11.2025

Kunst

Maler und Mentor

Eine Ausstellung in Baden-Baden zeigt Max Liebermann auch als Förderer impressionistischer Kollegen

von Eugen El  06.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 06.11.2025

Film

»Vielleicht eines der letzten Zeitdokumente dieser Art«

Die beiden Regisseure von »Das Ungesagte« über ihre Doku mit NS-Opfern und ehemaligen Mitläufern, Kino als Gesprächsraum und die Medienkompetenz von Jugendlichen

von Katrin Richter  06.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 6. November bis zum 13. November

 05.11.2025

Yitzhak Rabin

Erinnerung an einen Mord

Wie ich am 4. November 1995 im Café Moment in der Jerusalemer Azza Street vom tödlichen Anschlag auf Israels Ministerpräsident in Tel Aviv erfuhr

von Ayala Goldmann  04.11.2025

TV-Tipp

»Nürnberg 45 - Im Angesicht des Bösen«

Das Dokudrama rekonstruiert die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse vor 80 Jahren

von Jan Lehr  04.11.2025

Hollywood

Jesse Eisenberg will eine seiner Nieren spenden

Der Schauspieler hatte die Idee dazu bereits vor zehn Jahren

 03.11.2025