Glosse

Der Rest der Welt

Ja, ich will ... richtigen Tscholent essen.

Glosse

Der Rest der Welt

Szenen einer Ehe oder Tscholent ist besser als Frauenfußball

von Beni Frenkel  23.01.2020 15:29 Uhr

In meiner Familie ist leider ein großer Streit ausgebrochen. Die Kontrahenten sind meine Frau und ich. Die Leidtragenden sind – wie immer – die unschuldigen Kinder. Gezankt wird jeden Schabbes, und zwar immer um die Mittagszeit.

Vorfreude Meine Frau – noch sind wir verheiratet – behauptet dann stets, ich sei ein Versager. So direkt sagt sie es natürlich nicht, aber ihre Körperhaltung und ihr Augenrollen kann man nicht anders deuten. Auf dem Tisch steht die alte Suppenschüssel von meiner Oma. Der herrlich duftende Tscholent brodelt noch immer ein bisschen. Die Vorfreude auf den Fleischeintopf ist riesig, und eine leichte Erregung überkommt mich.

Den Tscholent habe ich gemacht. Das ist mein Werk. Sehen Sie die dunklen Gulasch-Stücke, wie sie leicht verkocht an der Oberfläche schwimmen? Die habe ich zubereitet. Stundenlang köchelten sie in der Pfanne auf Stufe 2. Erst später habe ich sie dann zu den Kartoffeln, Bohnen und Zwiebeln zugefügt. So habe ich das in einem israelischen Kochbuch gelesen, und daran halte ich mich, als wäre es der Talmud.

Fleisch Meine Frau hingegen kocht Gulasch scharf an, auf Stufe 6. Damit zerstört sie das teure Fleisch in seiner innersten Struktur. Ihr Tscholent ist deswegen ungenießbar. Man kann ihn Gästen nicht servieren. Das geht nicht.

Das Fleisch ist zwar butterweich, aber trotzdem eklig. Richtiges Fleisch muss kaubar sein, ähnlich einem Kaugummi. Wer meinen Tscholent isst, braucht etwas Zeit. Das Wort Tscholent stammt übrigens vom hebräischen Scha›ot (Stunden). Das jüdische Nationalgericht ist eben kein Fast Food. Den Tscholent meiner Frau kann man eigentlich nur alten Menschen servieren, die nicht mehr kauen können. Meine Frau schüttet auch immer viel zu viel Salz in die Brühe.

Gastrokritiker Ihr Tscholent ist also nicht nur eklig, sondern auch gesundheitsschädlich. Trotzdem lieben ihn die Kinder. Aber Kinder lieben auch Cornflakes mit Ketchup. Kinder essen im Restaurant immer nur Pizza oder Pommes. Sind sie deswegen ernst zu nehmende Gastrokritiker?

Wegen Menschen wie mir bleiben wichtige Traditionen des Judentums erhalten. Das Kochbuch aus den 80er-Jahren schreibt ausdrücklich, dass der Tscholent bei Stufe 2 gekocht werden muss. Auch in verschiedenen Internetforen werde ich unterstützt. Dieser Rückhalt tut gut. Ich bin mir sicher, da draußen gibt es noch viele andere Männer, die wie ich leiden. Aber: Wir können Tscholent! Er schmeckt vielleicht nicht so gut, aber er ist immer noch besser als Frauenfußball.

Aufgegabelt

Couscous mit Gemüse

Rezept der Woche

von Katrin Richter  24.10.2025

Rezension

Kafkaeskes Kino: »Franz K.«

Die Regisseurin, die für Hitlerjunge Salomon eine Oscar-Nominierung erhielt, hat das Leben des Schriftstellers verfilmt. Der Zuschauer darf »Franz K.« nicht nur als gequältes Genie-Klischee, sondern als dreidimensionalen Menschen erleben

von Patrick Heidmann  24.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Dresden

Jüdische Woche eröffnet

Das Event bietet bis Sonntag Tanz, Theater, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Gesprächsrunden

 24.10.2025

Malerei

Zwischen den Welten

Südafrikanerin, Deutsche, Jüdin: Das Berliner Brücke-Museum würdigt die vergessene Expressionistin Irma Stern mit einer großen Ausstellung

von Bettina Piper  23.10.2025

Shkoyach!

Der Belarusse ist einer, der Birkensaft liebt

Wenn man sich schon auf eine komplizierte Sprache, andere Umgangsformen und ein gewöhnungsbedürftiges Klima einlässt, dann soll einem wenigstens das heimische Essen Halt geben: Unser Autor kostet noch einmal das Lieblingsgetränk seiner Kindheit

von Eugen El  23.10.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 23. Oktober bis zum 31. Oktober

 23.10.2025

Netflix-Serie

»Nobody Wants This«: Zweite Staffel ab heute verfügbar

Keine Produktion seit »Srugim« habe Rabbiner und Synagogen so unterhaltsam dargestellt, heißt es in israelischen Medien. Ab heute geht es in die nächste Runde

 23.10.2025

Zahl der Woche

384 Betten

Fun Facts und Wissenswertes

 21.10.2025