Finale

Der Rest der Welt

Gute Stimmung mit Discokugel Foto: Getty Images

Finale

Der Rest der Welt

Perfekte Party? Nur mit mir!

von Margalit Edelstein  12.12.2019 15:43 Uhr

Mitte November laufen in ganz Antwerpen die Waschmaschinen heiß. Mütter raufen sich verzweifelt die Haare, Väter rauchen heimlich Kette, Neuntklässler pennen auf der Schulbank ein. Denn es ist Chodesch Irgun, der offizielle Partymonat von Bnei Akiva.

Partykönige sind wie jedes Jahr die Kids von Shevet Haro’e, der zweit­ältesten Gruppe. Fieberhaft wird einen Monat lang das Bnei-Akiva-Klubhaus auf Vordermann gebracht und neu gestrichen, bis am Ende die große Party steigt: der phänomenale »Shabbat Ha’irgun«. Da bekommt Shevet Haro’e einen brandneuen, eigens kreierten Namen, den die 14-Jährigen für den Rest ihres Lebens tragen werden. (Ich meinerseits bin Shevet Atzma’ut – woraus Kenner der Materie schließen können: Ich bin Jahrgang 1973!)

chaos Bis dahin jedenfalls sind die Kids jede Nacht vor Ort und am Werkeln und Streichen. Und es wäre nicht Bnei Akiva, wenn dies nicht mit maximalem Chaos verbunden wäre. Also wird erst einmal sämtliche Farbe auf dem Boden ausgeleert.

Dann wälzt sich die ganze Gruppe darin, um anschließend in einem geklauten Einkaufswagen in voller Fahrt mittendurch zu rasen, untermalt von höllisch lauter Musik und begleitet von hemmungslosem Schoko- und Chipskonsum. Natürlich wird das Spektakel gefilmt und am Shabbat Ha’irgun der geschockten Elternschaft präsentiert.

Und erst ganz am Ende jenes Abends wird der neue Name präsentiert. Er wurde vom israelischen Bnei-Akiva-Zentralkomitee in tagelanger Klausur ausgebrütet und ruht bis zum Moment X sicher in einem Safe, bevor er rund um den Globus zur selben Zeit bekannt gegeben wird. Also: Top Secret!

Thriller Und wie jedes Jahr hat Shevet Haro’e einen Film zum Thema gedreht, dieses Jahr ist es ein Agententhriller. Man sieht die Kids als Spione verkleidet durch Antwerpen jagen, auf der Suche nach dem geheimen Namen. Schließlich finden sie einen Umschlag auf einer Schaluppe im Antwerpener Hafen, der aber im letzten Moment von einer Drohne entführt wird. Abrupt bricht der Film ab, begleitet vom enttäuschten Stöhnen des Publikums.

Doch da! Ein Lichtkegel beleuchtet den Saaleingang! Und hereingeflogen kommt die Drohne mitsamt Umschlag. Das Publikum bricht in Jubel aus … da beginnt die Drohne wild herumzukreisen, bis sie die Kontrolle verliert. Sie fliegt Richtung Bühne, kracht dort in die Beleuchtung, die zu Boden fällt und die gesamte Deko mit sich reißt. Es gibt einen Kurzschluss.

Schaliach Der Hausmeister rollt mit den Augen und schmeißt die Notbeleuchtung an, während der Schaliach und der Rosch in dem rauchenden Trümmerhaufen verzweifelt nach dem Umschlag graben. Da, sie haben ihn! Mit zitternden Händen öffnet ihn ein Madrich …, und die neue Shevet Sinai beginnt unter lautem Jubel ausgelassen auf den Resten der Bühne Hora zu tanzen. Gerührtes Schneuzen der Eltern. Ach, du schöne Jugendzeit!

Nächstes Jahr gibt es endlich die perfekte Party, ohne Chaos und Zusammenbruch. Denn dann ist meine Große dran, und ich werde das Ganze überwachen. Bis dahin gilt: Watch this Space!

Marko Dinić

Das große Verschwinden

Der serbisch-österreichische Autor füllt eine Leerstelle in der Schoa-Literatur

von Katrin Diehl  13.10.2025

Usama Al Shahmani

Die Hälfte der Asche

Der Schweizer Autor stammt aus dem Irak. Sein Roman erzählt eine Familiengeschichte zwischen Jerusalem und Bagdad

von Frank Keil  13.10.2025

Literatur

Poetische Analyse eines Pogroms

Boris Sandler, ehemaliger Chefredakteur der jiddischen Zeitung »Forverts«, schreibt über das Blutbad von Kischinew

von Maria Ossowski  13.10.2025

Sachbuch

Zion liegt in Texas

Rachel Cockerell schreibt über russische Juden, die in die USA auswanderten – ein Teil ihrer Familiengeschichte

von Till Schmidt  13.10.2025

Romain Gary

Widerstand in den Wäldern

»Europäische Erziehung«: Der Debütroman des französisch-jüdischen Schriftstellers erscheint in neuer Übersetzung

von Marko Martin  13.10.2025

Jan Gerber

Vergangenheit als Schablone

Der Historiker skizziert die Rezeptionsgeschichte des Holocaust und stößt dabei auf Überraschendes

von Ralf Balke  13.10.2025

Literatur

Die Tochter des Rabbiners

Frank Stern erzählt eine Familiengeschichte zwischen Wien, Ostpreußen, Berlin und Haifa

von Maria Ossowski  13.10.2025

Yael Neeman

Damals im Kibbuz

Der israelische Bestseller »Wir waren die Zukunft« erscheint auf Deutsch

von Ellen Presser  12.10.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Der Ewige? Ist ein cooler Typ, singen Hadag Nachash

von Margalit Edelstein  12.10.2025