Finale

Der Rest der Welt

Zu hohe Steuern – deswegen gleich die Mitgliedschaft in der Gemeinde kündigen? Foto: Thinkstock

Anfang des Monats habe ich die Steuerrechnung der jüdischen Gemeinde erhalten. Sie beträgt 2571 Franken – etwa 2200 Euro –, zahlbar in vier Raten. Das hat mich nicht in Purim-Stimmung versetzt, ganz im Gegenteil.

Beim Abendbrot wollte ich Dampf ablassen und mit meiner Frau über die Rechnung lästern. Damit die Kinder nichts davon mitbekamen, versuchte ich es auf Hebräisch. Aber ich wusste nicht, wie man »tausend« ausspricht. Also wechselte ich wieder zu Deutsch und fluchte auf Englisch.

Der Sohn – acht Jahre – bekam das natürlich mit. So ein Mist. »Papi, du musst 2571 Franken bezahlen? Warum? Ist Mami wieder bei Rot über die Straße gefahren?« Normalerweise antworte ich bei solchen Fragen immer mit: »Das ist nicht dein Bier.« Doch weil der Knabe abzugsberechtigt ist, nervte er mich diesmal nicht so sehr.

pessach-haggada Außerdem bereite ich mich gerade auf die Pessach-Haggada vor. Und da kamen mir die vier Söhne in den Sinn: der Böse, der Kluge, der Dumme und der noch Dümmere. Ist ja schön, dachte ich mir, dass er eine Frage stellt. Die Antwort ist allerdings gar nicht so leicht – warum muss ich so viel Geld bezahlen? Ich gehe etwa dreimal im Jahr dort beten. Ich weiß nicht einmal den Geheimcode zur Synagoge. Ich muss immer gegen die Tür hämmern, bis sich ein Bärtiger meiner erbarmt.

Wie kann man also eine komplizierte Frage kindgerecht beantworten? »Hör genau zu: Wenn ich jedes Jahr fleißig die Steuerrechnung begleiche, kriege ich dereinst eine Grabstätte umsonst.« Das leuchtete dem Jungen ein. Allerdings nur für einen Moment. »Warum musst du aber auf dem Friedhof begraben werden? Wir haben doch einen Garten.«

zigarettenstummel Das stimmt. Wir teilen uns mit den Nachbarn einen kleinen Garten. Da blühen zurzeit die ersten Krokusse: violett, gelb, weiß. Aber will ich da wirklich begraben werden? Der Nachbar oben wirft immer seine Zigarettenstummel auf die Wiese. Und die Nachbarskatze macht ihr Geschäft unter dem jungen Ahorn.

Ich holte die Rechnung wieder hervor. Da steht aufgelistet, wo mein Geld überall hinfließt: 200 Franken an einen Kulturverein, 400 Franken an eine jüdische Schule, auf die meine Kinder nicht gehen, und 50 Franken an einen frommen »Talmud Tauro«-Verein. Und so weiter und so fort.

Wieder kam mir die Pessach-Haggada in den Sinn. Und zwar das Lied »Dajenu« – es reicht! Doch soll ich deswegen die Mitgliedschaft in der Gemeinde kündigen? (In der Schweiz ist das möglich.) Nein. Bald kommt Moschiach, und wir feiern dann Pessach alle in Israel. Und das Schönste daran: Nie wieder Gemeindesteuer!

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025