Finale

Der Rest der Welt

Zoff, Wahlanfechtung und Dauerfeuer von der Opposition: Allmählich frage ich mich ernsthaft, warum ich noch Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin bin. Schließlich geht es in meiner Heimatgemeinde – verglichen mit den Zores in der Hauptstadt – verhältnismäßig friedlich zu. Warum nicht einen zweiten Wohnsitz in Süddeutschland anmelden und meine Beiträge in eine Gemeinde investieren, die hoffentlich weniger Anwälte finanzieren muss als Berlin?

Leider gibt es da ein Problem: Wenn meine Zeit gekommen ist, möchte ich sehr gerne auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee liegen. So wie Kurt Tucholsky, der einst von »Feld P – in Weißensee, in Weißensee …« träumte. Der Friedhof sieht aus wie ein Wald, ein idealer Ort für die Letzte Ruhe. Besonders wichtig: Weißensee hat ein »gemischtes Gräberfeld«, auf dem jüdische und nichtjüdische Partner nebeneinander bestattet werden.

Doppelstelle Das kann nicht jede Gemeinde bieten. Um herauszufinden, was mich ein Austritt kosten würde, habe ich in gut informierten Kreisen nachgehorcht: Etwa einen Monatslohn müsste ich für eine Doppelstelle auf dem Friedhof aufbringen. Als Nichtmitglied ein Vielfaches. Ich solle mir das Gelände bald anschauen, das Feld sei schon relativ voll.

Ich kam mir vor wie im Schlussverkauf. Derart angefixt, erzählte ich Freunden von meinem Plan, für die Ewigkeit vorzusorgen und dann die Gemeinde zu wechseln. »Mit 46 denkt man doch nicht an ein Grab«, war noch die harmloseste Reaktion. Die Kollegen rieten zu Crowdfunding. Beteiligen wollte sich keiner. »Für das Geld fahren wir lieber in den Urlaub«, sagte mein Mann. Meine Mutter empfahl mir, tief durchzuatmen, den Berliner Juden treu zu bleiben und mich auf die Aufgaben der Gegenwart zu konzentrieren. Frei nach Kurt Tucholsky: »Es tickt die Uhr. Dein Grab hat Zeit, drei Meter lang, ein Meter breit …«

Weißensee Aber: Was mache ich, falls die Ultraorthodoxie irgendwann die Gemeinde übernehmen sollte? Paare wie mein Mann und ich haben dann wohl das Nachsehen in Weißensee und müssen auf den städtischen Friedhof ausweichen. Investieren wir dagegen den Monatslohn sofort, kann uns kein Anwalt der Welt das Grab wieder wegnehmen!

Fraglich bleibt allerdings, ob Weißensee wirklich Letzte Ruhe bedeuten würde. Bei der langlebigen Berliner Streitkultur wäre es nicht verwunderlich, wenn sich der Zoff in der kommenden Welt fortsetzt. Vielleicht gibt es dort – frei nach der Jom-Kippur-Liturgie – neben dem »Beit Din schel Maala« auch ein »Beit Din schel Mata«, ein unterirdisches Schiedsgericht? Oder einen unterirdischen Schiedsausschuss?

Wenn ich Pech habe, tagt dieses Gremium drei Meter tief unter Feld E, und ich muss die Diskussionen bis zur Auferstehung der Toten mitanhören. Trotzdem habe ich jetzt beschlossen, mir alle Optionen offenzuhalten. Komme, was kommen mag: Ich bleibe Gemeindemitglied in Berlin!

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  01.05.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  01.05.2025

Donna Anna (Adela Zaharia) und Don Ottavio (Agustín Gómez) in »Don Giovanni/Requiem«

Oper

Requiem nach der Höllenfahrt

Der Exilrusse Kirill Serebrennikov erschüttert mit »Don Giovanni« in Berlin

von Maria Ossowski  01.05.2025

Sehen!

»Der Meister und Margarita«

In Russland war sie ein großer Erfolg – jetzt läuft Michael Lockshins Literaturverfllmung auch in Deutschland an

von Barbara Schweizerhof  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025