Finale

Der Rest der Welt

Ich habe mir das nicht ausgesucht, aber ich wohne in Antwerpen »mitten im Tscholent«, wie man so schön sagt. Epsteins Supermarkt ist vor meiner Nase, daneben Jakovs Sfoirim Center, Bravermanns Reinigung, fünf oder sechs Synagogen, eine Handvoll Restaurants, einige Stiebels und jede Menge Chassiden und ihre Scheitel-bedeckten und Tichel-geschmückten Gattinnen samt Nachwuchs. Die kleinen Jungen mit Samt-Mützchen, die kleinen Mädchen mit Schleifchen dekoriert, stets brav hinter ihren abgehetzten Eltern hertrippelnd.

Wenn ich Samstagmittag von meinem Balkon herabblicke, dann sehe ich nur schwarz. Viele runde, pelzige Kugeln, die sich nach der Schul Richtung Mittagessen bewegen – so sehen die chassidischen Strejmel von oben gesehen aus. Aufgelockert wird das Tableau durch viele kunstvoll frisierte Scheitel und Hüte, durch die bunten Kinderkleidchen und farbenfroh ausgestatteten Buggies. Schön sieht das aus.

Babysitter Für mich hat die Lage außerdem natürlich jede Menge praktische Vorteile, wie zum Beispiel warme Challot frei Haus oder ein stets abrufbarer Babysittertrupp, bestückt aus den Töchterscharen der diversen Rabbis der Nachbarschaft. Die Bnei Akiva liegt gleich um die Ecke.

Nur einen einzigen Laden würde ich am liebsten abschaffen: das Kitsch-Eldorado von Jaakovs Sfoirim Center – Judaica und Spielzeughandel GmbH. Das Schaufenster, voll von glitzernden Plastik-Scheußlichkeiten aus China oder sonst woher. Leider liegt es auf dem Schulweg der Kinder und bietet so jede Menge Anlässe zu verbitterten Scharmützeln.

Zu Rosch Haschana war es ein Plastik-Schofar mit ohrenbetäubendem Tröten, in das sich mein Sohn verliebt hatte. Diesen Einkauf bezahlte ich mit tagelanger Migräne, die dann ihren Höhepunkt erreichte, als das Ding in seine Einzelteile zerfiel. Jammern, Klagen, Wutanfälle! Als Nächstes war die glitzernde Zellophan-Sukka-Deko dran, die mich ein Vermögen kostete.

Gerade gestern haben die Kinder eine aufblasbare Tora erspäht, mit der man zu Simchat Tora tanzen kann. Ich sehe schon vor mir, wie dem Ding während der Hakafot die Luft ausgeht und ich mir dann die diversen Wutanfälle der Kleinen mitansehen kann. Nicht anders ist es mit den Fahnen für Simchat Tora: made in China und mit dem fies klebenden Glitzer, den ich dann während des ganzen Chag vom Sofa und Fußboden abkratzen darf, und die genau vor der Synagoge jedes Jahr in die Brüche gehen.

Dumping-Preise Aber bevor ich weitermeckere: Jakovs Kitschparadies hat auch einen gewissen Charme, der ganz besonders zu Sukkot und Simchat Tora rauskommt. Jakov verkauft nämlich auch Selbstbau-Sets für Laubhütten, mit zugehörigem Laub für das Dach, zu Dumping-Preisen, was bedeutet, das es dort mehrere Tage lang zugeht wie auf dem Schuk.

Dann gehen die sonst so sanftmütigen Chassidim richtig zur Sache, es wird lautstark und händeringend bis auf den letzten Cent verhandelt – großes Kino! Außerdem gibt es Kinderprogramm mit bunten Lichtern, Clowns und Zuckerwatte. Dann vergebe ich Jakov alle seine Sünden des schlechten Geschmacks – spätestens bis Chanukka, wenn er seine berüchtigten entflammbaren Billig-Chanukkiot, im Programm hat!

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Glosse

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken? Ein Gedankenexperiment

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025