Finale

Der Rest der Welt

Sozialneid ist in meinen Augen nicht nur peinlich, sondern auch überflüssig: Schließlich sind die Leute mit den 200-Quadratmeter-Dachgeschoss-Eigentumswohnungen in Charlottenburg und den großen Autos, die in keine Parklücke passen, nicht unbedingt glücklicher als ich. Trotzdem muss ich zugeben, dass es mich nicht ganz kaltlässt, wenn ich höre, wer alles ein Schwarzgeldkonto in der Schweiz unterhalten hat – darunter nette Menschen, denen ich jahrelang mein Mikrofon hingehalten habe, um den Ertrag meiner öffentlich-rechtlichen Beiträge mit der Künstlersozialkasse und dem Finanzamt zu teilen.

Die Welt ist so ungerecht! Warum muss ich einen großen Teil meines Gehalts (in Steuerklasse 5!) dem Fiskus in den Rachen werfen, wenn Leute, die es gar nicht nötig hätten, das Finanzamt einfach austricksen?

kirchensteuer Damit nicht genug: Als Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zahle ich Jahr für Jahr brav meine Kirchensteuer, obwohl wir der Jewish Telegraphic Agency sogar Anlass liefern, eine Liste der »peinlichsten Organisationen in Berlin« vorzuschlagen. Was mit unseren Gemeindesteuern passiert? Darüber habe ich bedauerlicherweise schon seit geraumer Zeit den Überblick verloren. Bin ich also schlicht und ergreifend zu blöd, um Geld zu sparen?

Nein, ich habe einfach keine Wahl! Weder habe ich von meiner Oma genug Geld geerbt, um es in der Schweiz oder in Panama anzulegen, noch hatte ich jemals einen wichtigen politischen Job. Mir könnte es also nie passieren, dass mich ein Journalist auf 829.322 Mark auf einem Luxemburger Konto anspricht und ich mit dem Ausruf »Oh Gott, oh Gott, oh Gott. In grauer Vorzeit. Tja« reagiere, wie der ehemalige Schatzmeister einer großen Volkspartei laut einem Zeitungsbericht.

bildungssystem Auch steht es mir nicht frei, aus meiner Gemeinde auszutreten – denn ich habe nun einmal keine andere. Außerdem wird mein Sohn nächstes Jahr eingeschult, und ich will ihn schließlich durch das jüdische Bildungssystem Berlins schleusen – falls es in den nächsten Jahren nicht endgültig kollabiert. Und wenn mir mit 120 die Stunde schlägt, möchte ich mein Haupt auf einem jüdischen Friedhof zur letzten Ruhe betten. Also werde ich weder dem Fiskus noch den Juden entkommen – egal, wer in Berlin gerade die Regierung stellt.

Mittlerweile kann ich meinen Vater verstehen, der einst die ganze Familie zum Quittungen-Sammeln animierte, weil er dem Finanzamt keinen Pfennig mehr als nötig gönnte. Als 13-Jährige, in meiner sozialistischen Phase, hatte ich ihn jeden Morgen am Frühstückstisch attackiert, weil er als »Kapitalist« angeblich nicht genügend Steuern zahlte. Aber wer weiß, am Ende kommt mir mein Sohn in ein paar Jahren auch mit solchen Sprüchen. Selbst wenn mehr als die Hälfte vom Netto bei Finanzamt, Schule und Gemeinde landet.

Luxemburg/Malmö

Luxemburg steht im ESC-Finale - Tali Golergant: »Ich kann es nicht glauben«

Die Sängerin aus dem Großherzogtum hat israelisch-peruanische Wurzeln

 08.05.2024

Musik

»Piano Man« Billy Joel wird 75

160 Millionen verkaufte Alben verkauft der erste US-Rockstar, der durch die Sowjetunion tourte

von Alexander Lang, Timo Lechner  08.05.2024

Kassel

documenta: Kein Verhaltenskodex für Künstlerische Leitung

Der Aufsichtsrat fasste Beschlüsse. Können Antisemitismus-Eklats dadurch vermieden werden?

 08.05.2024

Antisemitismus

documenta will Konsequenzen ziehen

Aufsichtsratssitzung der Weltkunstschau diese Woche – Hessens Kulturminister: »Judenhass darf keine Bühne erhalten«

 07.05.2024

Erinnerung an den Holocaust

Zentralrat übt massive Kritik an Claudia Roth

Seit Wochen gibt es Diskussionen um ein Konzept der Kulturstaatsministerin. Der Präsident des Zentralrats der Juden hat sich in diesem Kontext nun sehr deutlich positioniert

 07.05.2024

Graphic Novel

»Wir hatten das große Glück der vielen Zeit«

Die Künstlerin Barbara Yelin über ihre Gespräche mit der Schoa-Überlebenden Emmie Arbel

von Knut Elstermann  05.05.2024

Ausstellung

Im hohlen Baum

In Frankfurt werden neun exemplarische Verstecke polnischer Juden in der Schoa gezeigt – eines erinnert an das Hamas-Massaker

von Eugen El  05.05.2024

Eurovision Song Contest

»Malmo wird in der nächsten Woche der Brennpunkt Europas sein«

Boykott-Aufrufe gegen Israel und eine Stadt, in der der Antisemitismus besonders stark grassiert: Der ESC dürfte dieses Jahr in aufgeheizter Stimmung stattfinden

von Melissa Erichsen  05.05.2024

Aufgegabelt

Hühnchen mit Aprikosen

Rezepte und Leckeres

 04.05.2024