Kino

Der Mann, der wie das Paradies heißt

»Ich gefalle mir.« Der Mann ist mit sich selbst im Reinen. Morgens guckt er erst einmal, ob über ihn auch etwas in der Zeitung steht. Ein Tag, an dem das nicht der Fall ist, ist kein schöner Tag für Rolf Shimon Eden. In seinem nun schon über 81 Jahre langen Leben hat er aber viele schöne Tage erlebt.

Die sind auch gut dokumentiert, denn schon lange vor Erfindung der Digitalkamera hat Eden viele Meter Super-8-Film verbraucht; man sieht auf ihnen jede Menge schöner Frauen, leere Gläser in Berliner Nächten, viel Neon, Kitsch und vor allem Rolf Eden selbst. Davon profitiert Peter Dörflers Dokumentation The Big Eden, ein außerordentlich kurzweiliges Porträt des einstigen West-Berliner »Partykönigs«. Diese Woche läuft der Film in den Kinos an.

disco Der junge Rolf Eden revolutionierte einst das West-Berliner Nachtleben, machte zwischen Planschbeckentänzen und Nackt-DJs schon in den 50er-Jahren alles, womit andere erst 20 Jahre später anfingen, und erfand quasi im Alleingang die Disco. Zwischen 1964 und 1984 war er mit seinen vier, fünf »Edens« der Herrscher des Berliner Nachtlebens.

Von den Rolling Stones bis zu Richard von Weizsäcker ließ sich die Prominenz nicht lange bitten, wenn Eden rief. Dann ging es zunehmend bergab mit dem Disco-Geschäft – was dem Herrn persönlich aber nicht geschadet hat, denn er konnte gut verkaufen und besitzt bis heute mehr als ein Dutzend Immobilien in besten Lagen.

All das zeigt und erzählt der Film höchst vergnüglich. Wenn es gegen The Big Eden überhaupt etwas einzuwenden gibt, dann, dass er sich etwas zu sehr auf die Seelenerforschung seiner Hauptfigur konzentriert, wo man lieber mehr darüber erfahren hätte, was ein Ort wie das »Big Eden« zu seiner Zeit eigentlich alles genau repräsentierte.

Ein bisschen mehr Sittengeschichte West-Berlins hätte man sich schon gewünscht. Mehr als einmal ertappt sich der Zuschauer immerhin bei der nostalgisch-rhetorischen Frage, was nur aus Berlin geworden ist. Die Aufgeräumtheit, die neue Ordnung, die Berlin in den letzten Jahren auszeichnet, hat den Partys nicht unbedingt genutzt. Es gibt kaum noch alte Stasi-Büros, die sich als Lounge-Bar eignen, oder ehemalige VEBs, die man für einen Abend zum Partystandort umfunktionieren könnte. Und die letzten besetzten Häuser wurden passend zum Wahlkampfauftakt im Frühjahr vom rot-roten Senat geräumt.

hagana Davon abgesehen, gelingt Dörfler in The Big Eden aber viel, nicht zuletzt Passagen, in denen klar wird, dass selbst Rolf Edens Leben nicht nur eine einzige Party war: 1930 in Berlin geboren, musste seine Familie 1933 nach Eretz Israel emigrieren. Schon mit 16 Jahren schloss der junge Eden sich dort der Palmach an, einer Elitetruppe der jüdischen Untergrundarmee Hagana, die, nachdem sie im Weltkrieg an der Seite Englands gegen die Nazis gekämpft hatte, nun unter dem Kommando von Yitzhak Rabin gegen die Briten für Israels Unabhängigkeit kämpfte. »Ich bezweifle, dass Du das Leben wirklich so leicht nimmst«, sagt im Film ein alter Palmach-Kamerad seinem Freund.

Anfang der 50er-Jahre kehrte Rolf Eden nach Berlin zurück. Er sei dort damals der einzige Jude gewesen, »der sich nicht als Opfer fühlte«, erinnert sich der Playboy. Er habe alle glücklich gemacht, auch die Nazi-Täter und ihre Mitläufer, mit Spiel, Sex und Spaß.

hedonismus »Nach dem Tod gibt’s nichts mehr, deswegen will ich bis dahin jede Sekunde schön leben.« Mit guter Laune, ansteckendem Optimismus und einer entwaffnenden Ehrlichkeit spricht Rolf Eden vieles aus, was andere sich nicht mal zu denken trauen. So ist Dörflers Film ein Plädoyer für den Hedonismus seines Helden.

Auch die verlassenen Frauen Edens und die sieben Kinder aus sieben Beziehungen, die man im Film kennenlernt, sprechen größtenteils gut über ihn, und manche erstaunlich hellsichtig: »Er hat keine Chance, seiner Rolle zu entkommen«, sagt etwa der 13-jährige jüngste Sohn, und mehrere Verflossene sind sich einig, dass Eden ein in der Pubertät stecken gebliebener großer Junge ist. Das Leben des Mannes, der wie das Paradies heißt, zeigt allerdings, dass es nicht unbedingt erstrebenswert sein muss, erwachsen zu werden.

Berlin

Weimer: Antisemitismus in der Kultur als erstes großes Thema

Der neue Staatsminister für Kultur und Medien will an seinem ersten Tag ein Zeichen setzen - und empfängt gleich einen besonderen Gast

 07.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Weimer sichert Zentralrat der Juden Solidarität zu

Neuer Minister nach Gespräch mit Josef Schuster: »Für mich ist es schmerzlich, ja unerträglich, zu sehen, wie der Antisemitismus in die Gesellschaft hineinkriecht«

 07.05.2025 Aktualisiert

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 07.05.2025

Großbritannien

Jonny-Greenwood-Konzerte wegen Drohungen von BDS abgesagt

Israelhasser wollen nicht, dass der Radiohead-Gitarrist mit einem Israeli arabische Liebeslieder vorträgt. Und sie setzen sich mit Drohungen durch

von Imanuel Marcus  07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Wolfram Weimer entlässt »Claudia Roths Gehirn«

Der umstrittene BKM-Amtschef Andreas Görgen verliert unter Roths Nachfolger Wolfram Weimer seinen Posten

 07.05.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 8. Mai bis zum 16. Mai

 07.05.2025

Kulturstaatsministerium

Wolfram Weimer entlässt »Claudia Roths Gehirn«

Der umstrittene BKM-Amtschef Andreas Görgen verliert unter Roths Nachfolger Wolfram Weimer seinen Posten

 07.05.2025

Literatur

Der Verschollene

Daniel Kehlmann entdeckt in einem wunderbaren Essay den Romancier Leo Perutz auf überraschende Weise neu

von Marko Martin  06.05.2025