Studie

Chaos in der Eizelle

Aus der befruchteten Eizelle entsteht das Embryo. Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Fehler scheint bereits im System zu liegen. Wenn sich beim Mann die Spermien und bei der Frau die Eizelle bilden, dann tauschen ihre Chromosomen untereinander Material aus. Anschließend verteilen sie sich so, dass beide jeweils genau 23 Chromosomen enthalten. Kommt es zu einer Vereinigung und damit zur Befruchtung, entsteht daraus eine völlig neue Zelle, und zwar mit 46 Chromosomen, die wiederum das komplette Erbgut enthalten. Aus ihr entwickelt sich das Embryo und spätere Kind.

Doch nicht selten läuft dabei einiges schief. »Beim Menschen haben etwa zwei Prozent aller befruchteten Eizellen nicht den doppelten Chromosomensatz, sondern einen dreifachen«, berichtet Manfred Schartl, Professor am Biozentrum der Universität Würzburg. Eine Fehlgeburt ist die Folge, oftmals schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft.

DEFEKTE Es gibt aber nicht nur numerische Abweichungen von der Norm. Auch können bei der Zellteilung manchmal die Chromosomen in den Tochterzellen durcheinandergeraten, was ebenfalls zu Problemen führt. Solchen Defekten sind Wissenschaftler der Hebräischen Universität in Jerusalem jetzt näher auf den Grund gegangen. Sie haben genau die Mechanismen identifiziert, die in den Eizellen Chaos anrichten, sodass sie Schaden nehmen.

»Eine der Hauptursachen für Fehlgeburten sind Fehler in der korrekten Anordnung der Chromosomen in der Eizelle«, erklärt Yaniv Elkouby vom 17-köpfigen Team von Biologen und Medizinern. »Aber obwohl dies recht häufig vorkommt, wissen wir bis heute nicht wirklich, was genau da schiefläuft.«

Für ihre Studie hatten die israelischen Forscher eigens neue Ins­trumente entwickelt.

Für ihre Studie, deren Ergebnisse kürzlich in der renommierten Fachpublikation »Science« veröffentlicht wurden, hatten die israelischen Forscher eigens neue Ins­trumente entwickelt. Mit ihnen ließ sich detailliert und in Echtzeit beobachten, wie sich ein Cluster von Eizellen der Reife näherte.

Dabei sahen sie eine in diesem Kontext bis dato unbemerkte Struktur, die plötzlich aus der Eizelle herausragte und aussah wie eine verdrehte Faser. »Was wir entdeckt und dokumentiert haben, ist die Funktionsweise eines sehr wichtigen Teils der Maschinerie, die für die Organisation der Chromosomen in den Eiern zuständig ist«, so Elkouby. »Wir gaben ihr daraufhin die Bezeichnung ›Zygoten-Cilium‹.«

UNTERSUCHUNGEN Eine Zygote ist genau die Zelle, die durch die Verschmelzung zweier Keimzellen entsteht. Beim Cilium (lateinisch für Wimper) dagegen handelt es sich um einen faserähnlichen Zellfortsatz, der mechanische oder signalgebende Funktionen hat. Weitere Untersuchungen sollten zeigen, dass genau dieses Cilium eine Schlüsselrolle spielt, wenn in den Eizellen Ordnung herrschen soll, damit sie befruchtet werden können und am Ende dabei gesunder Nachwuchs entsteht. »Durch die Identifizierung dieses Mechanismus haben wir ein neues Muster herausgelesen, das es uns ermöglichen könnte, das Thema Unfruchtbarkeit besser zu verstehen«, glaubt Elkouby.

Weitere Forscher der Hebräischen Universität machen mit ihren Studien zur Unfruchtbarkeit gerade Schlagzeilen.

Auf Basis dieser Erkenntnisse ließen sich neue Ansätze zur Behandlung ableiten. Doch das wird noch ein wenig dauern. Denn in der Studie wurden diese Prozesse in den Samenzellen von Zebrafischen sowie in den Eizellen und Spermien von Mäusen beobachtet. Mäuse als Versuchstiere sind ja durchaus bekannt, aber Zebrafische? »Über 80 Prozent der bislang bekannten Gene, die beim Menschen Krankheiten auslösen können, gibt es auch im Fisch«, heißt es bei der Max-Planck-Gesellschaft. Der Zebrafisch sei damit ein durchaus geeigneter Modellorganismus zur Untersuchung von Erkrankungen des Menschen.

Elkouby und seine Kollegen sind nicht die einzigen Forscher der Hebräischen Universität, die mit ihren Studien zur Unfruchtbarkeit gerade Schlagzeilen machen. So meldete der Molekularbiologe Michael Klutstein Fortschritte bei der Entwicklung eines Verfahrens, wie die Eizellen von Frauen im Alter von über 40 quasi »verjüngt« werden können, sodass sie denen einer deutlich jüngeren gleichen, was die Schwangerschaftsrisiken bei Spätgebärenden minimieren soll.

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