Sehen!

»Bubble Machine«

Hintergründiges Kunstwerk in Köln Foto: Eugen El

Sehen!

»Bubble Machine«

Bis 23. Februar wird Ariel Schlesingers Installation in der »Kunst-Station Sankt Peter« in Köln gezeigt

von Eugen El  31.01.2022 08:09 Uhr

Ein karger, kühler Kirchenbau inmitten von Köln. Der Einkaufstrubel der Innenstadt und der tosende Verkehr der nahe gelegenen mehrspurigen Straße erscheinen weit entfernt. Fahles Winterlicht fällt durch die teils verzierten, teils matt weißen Kirchenfenster.

Ein eigenartiges Geräusch durchbricht auf einmal die Stille. Der Blick wandert zur Empore. Von einer dort angebrachten Vorrichtung löst sich eine Seifenblase. Anstatt sacht hinaufzusteigen, schwebt die Blase zügig und senkrecht nach unten. Sobald sie auf der am Boden platzierten, besaiteten Konstruktion auftrifft, explodiert sie in einem kleinen, eindrücklichen Feuerball, von einem elektrisch anmutenden Knacken begleitet. Das Geschehen wiederholt sich in etwa alle fünf Minuten.

Was zunächst wie die Tüftelei eines kauzigen Exzentrikers anmutet, entpuppt sich als ein hintergründiges Kunstwerk. Die in dem weitgehend leeren, von Bildwerk und Gestühl befreiten spätgotischen Kirchenraum untergebrachte »Kunst-Station Sankt Peter Köln« beherbergt immer wieder Ausstellungen und künstlerische Interventionen.

SEIFENBLASEN Bis 23. Februar ist dort Ariel Schlesingers Bubble Machine zu sehen. Der 1980 in Jerusalem geborene, in Berlin lebende Künstler hat ein Gerät entwickelt, das mit Gas gefüllte Seifenblasen produziert, die schwerer als Luft sind und daher hinabschweben. Am Boden treffen sie auf elektrische Drähte, die eine Explosion verursachen.

Spektakulär zerplatzende Hoffnungen? Leichtigkeit, die unvermittelt in Gewalt umschlägt? Ein Sinnbild für die Fragilität der Zivilisation? Schlesingers Seifenblasen-Installation eröffnet diverse Interpretationsmöglichkeiten. Die Mehrdeutigkeit seiner Kunst lässt sich auch auf dem Vorplatz des Jüdischen Museums in Frankfurt besichtigen, der seit 2019 Schlesingers imposante, aus zwei ineinander verschränkten Bäumen zusammengesetzte Aluminium-Skulptur Untitled beherbergt.

In Köln lohnt sich unterdessen der Blick in die Nachbarschaft: Unweit der »Kunst-Station Sankt Peter« zeigt das Kolumba Museum kostbare Exponate aus 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland – und lenkt den Blick auf die Höhen und Tiefen deutsch-jüdischer Geschichte und Gegenwart. In diesem Licht wirkt Ariel Schlesingers Bubble Machine wie ein lakonischer und nachdenklicher künstlerischer Kommentar zum Festjahr.

Die Installation ist noch bis zum 23. Februar in Köln zu sehen.

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025