USA

Bonhoeffer-Film in der Kritik: Ein Held mit Pistole?

Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer Foto: picture-alliance / akg-images

USA

Bonhoeffer-Film in der Kritik: Ein Held mit Pistole?

Deutsche Stars spielen in einer umstrittenen US-Produktion über den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer mit. Es geht um Verzerrungen und eine Vereinnahmung Bonhoeffers durch rechte Evangelikale

von Barbara Munker  17.12.2024 21:28 Uhr

Das Leben des evangelischen Pastors und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der sich früh gegen das NS-Regime auflehnte, ist Stoff für viele Bücher und Filme. Der Trailer für das jetzt in den USA angelaufene Drama »Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin« - also Pastor, Spion und Attentäter - verspricht eine »unerzählte, wahre Story«. Der Film mit Stars wie Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu und August Diehl ist in Deutschland noch gar nicht zu sehen, aber eine Kontroverse um Verzerrungen und eine Vereinnahmung Bonhoeffers durch nationalistische Evangelikale zieht jetzt schon weite Kreise. 

Es fängt schon beim Filmposter an. Darauf ist der Theologe mit einer Waffe in der Hand abgebildet. Die Firma Angel Studios, die den Film vertreibt, bewirbt ihn reißerisch wie einen Thriller: »Bonhoeffer wird in das Epizentrum eines tödlichen Plans gerissen, Hitler zu ermorden.« Der Pastor als Held, der zu Gewalt bereit ist? 

Nachfahren Bonhoeffers seien entsetzt 

Das ist ein Punkt, an dem sich die Nachfahren der sieben Geschwister des Theologen, der im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nazis hingerichtet wurde, stoßen. Die »rechts-evangelikale« Produktionsfirma Angel Studios würde die Geschichte verdrehen und Bonhoeffer zu einem »evangelikalen Heiligen« stilisieren, schrieben sie im Oktober in einer Stellungnahme. 

»Mit Entsetzen verfolgen wir, wie das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht wird«. Er sei ein »friedliebender, freiheitlich gesinnter Menschenfreund« gewesen. »Niemals hätte er sich in der Nähe rechtsextremer, gewalttätiger Bewegungen gesehen, die heute versuchen, ihn zu vereinnahmen.«

Als eine »Schlüsselfigur für diesen Missbrauch« nennen die Nachfahren den US-Autor Eric Metaxas, der 2010 die Bonhoeffer-Biografie »Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet« verfasste. Metaxas, ein loyaler Anhänger von Donald Trump, rührt die Werbetrommel und preist »die wichtige Botschaft« des neuen Films. So wie Bonhoeffer damals vor den Nazis gewarnt habe, müssten sich heute amerikanische Christen gegen »das Böse« wehren, sagte Metaxas im September in einer Talkshow, wenige Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen. Der Autor hat häufiger Vergleiche zwischen den Demokraten um Joe Biden und dem NS-Regime angestellt und zum Widerstand gegen ein linkes Establishment aufgerufen. 

Filmvertrieb: »Wunderbares Statement gegen Antisemitismus«

Angel Studios distanziert sich unterdessen von Metaxas, der Film basiere nicht auf dessen Buch. Die Firma preist die Filmbiografie auf ihrer Webseite als »wunderbares Statement gegen Antisemitismus«. Todd Komarnicki, Autor und Regisseur von »Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin«, spricht im Vorspann des Films von der »unglaublichen Ehre«, die Geschichte eines »der größten Helden aller Zeiten« zu erzählen. Bekannt ist Komarnicki als Drehbuchautor von der Pilotenstory »Sully«, die Clint Eastwood mit Tom Hanks inszenierte. 

Auf Englisch gedreht packt Komarnicki nun das komplexe Leben von Bonhoeffer in gut zwei Stunden Länge - mit viel Pathos. Es geht um die Kindheit mit sieben Geschwistern in einer großbürgerlichen Familie, die Studienjahre des jungen Theologen in New York, geprägt von Jazz und einer schwarzen Gospel-Gemeinde, den Widerstand im Nazi-Deutschland als Mitstreiter der Bekennenden Kirche, die Planung vom Attentat auf Adolf Hitler gemeinsam mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi und anderen Widerstandskämpfern. 

Am 9. April 1945 wurde der Theologe und Widerstandskämpfer im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet, doch wie auch in anderen Szenen nimmt es der Film mit der historischen Geschichte nicht so genau. Hier wird Bonhoeffer auf einem Feld zum Galgen geführt. Eine eher kitschige Inszenierung, wenn am Ende auch noch Licht durch die Wolken strahlt. 

Dassler, Bleibtreu und Diehl »tief besorgt«

Jonas Dassler (29, »Aus meiner Haut«) spielt die Hauptrolle, Moritz Bleibtreu (53) mimt seinen Vater Karl, August Diehl (48) schlüpft in die Rolle des Theologen Martin Niemöller. Das Trio und weitere Mitwirkende haben sich in einer eigenen Mitteilung der Kritik der Nachfahren von Bonhoeffers Verwandten angeschlossen. Sie seien »tief besorgt« über einen Missbrauch ihres Films und des Vermächtnisses Bonhoeffers durch christliche Nationalisten in den USA. Der Theologe habe gegen ein totalitäres Regime, gegen Lügen, Rassismus und Antisemitismus gekämpft. Diese Botschaft hätten sie mit dem Film vermitteln wollen. 

Der deutsche Kinostart ist nun für den 6. März mit dem kürzeren Filmtitel »Bonhoeffer« geplant.

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  11.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025