Verhaltenskodex

»Besondere Verantwortung«

Foto: imago images/Achille Abboud

Vor Kurzem erhielten die rund 3000 Mitarbeiter der Deutschen Welle (DW) eine E-Mail von der Geschäftsleitung. Darin wurden sie aufgefordert, den Erhalt des neuen »Code of Conduct« zu bestätigen, welcher zum 1. September in Kraft getreten ist.

Künftig wird allen Beschäftigten abverlangt, das Existenzrecht Israels ausdrücklich anzuerkennen. Zudem stellt der Verhaltenskodex klar, dass »holocaustleugnende und -relativierende Äußerungen nicht von der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst sind«. Bei solchen Fällen werde man »null Toleranz« zeigen.

»VORBILDFUNKTION« In einem Vorwort mahnt Intendant Peter Limbourg seine Führungskräfte, sie hätten »eine Vorbildfunktion« und müssten »konsequent gegen jedwedes Verhalten vorgehen, das nicht im Einklang mit geltenden Gesetzen oder mit den Verhaltensvorgaben und Grundwerten des Code of Conduct« stehe. Dieser gelte für jeden einzelnen Mitarbeiter. Er sei auch bei privaten Äußerungen in den sozialen Netzwerken bindend.

Zwar trete der Sender »weltweit für die Freiheit von Rede und Meinung« ein und pflege auch im »Innern ein Klima, das begründeten Widerspruch zulässt und aushält«. Dennoch, so Limbourg, werde man möglichen Verstößen gegen den Verhaltenskodex nachgehen und »gegebenenfalls notwendige – insbesondere arbeitsrechtliche – Maßnahmen« ergreifen.

Im Februar hatte eine dreiköpfige Kommission ein Gutachten zu den Antisemitismusvorwürfen gegen Mitarbeiter der arabischen Redaktion des Senders vorgelegt. Zuvor war bekannt geworden, dass sich einige von ihnen in sozialen Medien israelfeindlich geäußert hatten. So hatte eine DW-Journalistin Israel als »Krebs« bezeichnet, den man herausschneiden müsse.

KÜNDIGUNGEN Nach dem Bericht der Gutachter – und auf deren Empfehlung hin – kündigte die Deutsche Welle mehreren Mitarbeitern fristlos. Diese zogen gegen die sofortige Beendigung ihrer Arbeitsverträge vor Gericht. Zwei Urteile sind bislang ergangen. In beiden rügen die Richter vor allem die Form der Kündigungen.

DW-Sprecher Christoph Jumpelt stellte aber gegenüber der Jüdischen Allgemeinen klar, dass die Aktualisierung des Code of Conduct keine Reaktion auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sei, sondern vielmehr Teil eines seit Längerem vorangetriebenen Maßnahmenplans der Geschäftsleitung.

Mit dem Kodex will man bei dem vom Bund finanzierten deutschen Auslandssender dafür sorgen, dass sich alle DW-Beschäftigten bewusst sind, welche Verantwortung sie tragen. Wörtlich heißt es in der aktuellen Version: »Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sind Grundpfeiler unserer journalistischen und entwicklungspolitischen Botschaft und unseres Profils. Wir treten für die Werte der Freiheit ein und beziehen, wo immer wir sind, unabhängig und kritisch eindeutige Positionen, und insbesondere gegen jedwede Diskriminierung wie Sexismus, Rassismus und Antisemitismus. Wir tragen aufgrund der deutschen Geschichte eine besondere Verantwortung für Israel.«

SOZIALE NETZWERKE In sozialen Netzwerken gelte für DW-Mitarbeiter das Gebot der »Mäßigung und Zurückhaltung«. Das sei nicht nur der Verantwortung gegenüber den Werten des Senders, sondern auch »der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahme- und Treuepflicht gegenüber der DW als Arbeitgeberin und gegenüber anderen Mitarbeitenden« geschuldet.

Scharfe Kritik an den neuen Regeln kam kurz nach Bekanntwerden vor allem in nahöstlichen Medien auf. Dort wurde der Deutschen Welle vorgeworfen, sie positioniere sich damit offen als »pro-israelisch«.

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025