Finale

Ayalas Welt

Ich gehöre zu den altmodischen Autorinnen, die Selbstdarstellung im Internet für Zeitverschwendung halten. Vor zwei Jahren habe ich mich allerdings von einer Grafikerin bequatschen lassen, die behauptete, ich bräuchte eine eigene Website, um meinen Kundenstamm zu erweitern. Die Website www.ayalagold.com ist wirklich ganz hübsch geworden. Aber auf den Anruf des renommierten Hochglanzmagazins, das mich als Starautorin anwerben möchte, warte ich bis heute.

Babyfotos Noch überflüssiger finde ich Online-Netzwerke. Bei Facebook habe ich mich nur angemeldet, um den Eindruck zu erwecken, ich hätte tatsächlich 46 Freunde (ja, ich weiß, andere Leute haben mindestens 370, aber 46 ist für eine Eigenbrötlerin wie mich auch schon eine schöne Zahl). Genauso wie Angela Merkel, die in ihren wöchentlichen Videobotschaften davor warnte, zu viel Privates im Internet preiszugeben, schreibe auch ich nur das Allernötigste. Von mir erfährt im Netz keiner, wo ich meine Brötchen kaufe, und schon gar nicht, ob mein Bäcker koscher ist. Unter keinen Umständen poste ich Babyfotos. Seit ich mit dem Google-Programm Picassa ein Hochzeitsalbum anlegte und zu spät merkte, dass es fast unmöglich ist, Privatfotos wieder aus dem Netz zu nehmen, bin ich aus Schaden klug geworden.

Aber Facebook hat auch seine nützlichen Seiten. Es ist die ideale Arbeitsvermeidungsstrategie. Immer, wenn ich am Schreibtisch sitze und mir keine Glosse einfällt, klicke ich Facebook an. Ich beantworte nichtssagende Postings mit eigenen, ebenso nichtssagenden Postings. Oder ich wundere mich darüber, wer auf einmal im Netz mein Freund sein will – alte Bekannte, an die ich mich nicht erinnere, ehemalige Stammtischkolleginnen, die »networken« wollen (was versprechen diese Hirnis sich von einer Autorin, die nur 46 Freunde hat?), die intrigante Sekretärin einer untergehenden Nachrichtenagentur, die offenbar einen neuen Arbeitsplatz braucht – warum in aller Welt sollte sie sonst meine Freundschaft suchen?

AUFTRAG Seit dem vorigen Wochenende habe ich meine Meinung über Facebook allerdings revidieren müssen. Ich hatte mich eingeloggt, um Argumente für einen Artikel darüber zu sammeln, dass soziale Internetdienste Zeitverschwendung sind. Dabei stieß ich auf das Posting des Redakteurs einer kleinen, aber nicht unbedeutenden überregionalen Zeitung: »Keiner hat Zeit, Bücher zu rezensieren, weil sie alle selber welche schreiben!« Darunter die Reaktion eines freien Journalistenkollegen: »Warum fragen Sie mich nicht? Ich rezensiere gerne!« Ich auch, dachte ich und bot mich ebenfalls als Rezensentin an. Einen Tag später versprach mir der Redakteur, Anfang der Woche würde ich einen Roman in meiner Post finden. Der erste Internetauftrag in meinem Journalistenleben!

Hatte ich also unrecht? Ist Facebook doch das Medium der Zukunft? Ich werde meine Antwort davon abhängig machen, ob das Buch tatsächlich diese Woche im Briefkasten liegt – und ob es auch etwas taugt. Fortsetzung folgt.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie wechselt sich an dieser Stelle mit Beni Frenkel ab.

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024

Geistesgeschichte

Entwurzelte Denker

Steven Aschheim zeigt, wie deutsch-jüdische Intellektuelle den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts begegneten

von Jakob Hessing  21.10.2024

Heideroman

Wie ein Märchen von Wölfen, Hexe und Großmutter

Markus Thielemann erzählt von den Sorgen und Ängsten eines jungen Schäfers in der norddeutschen Provinz

von Tobias Kühn  21.10.2024

Nachruf

Mentor und Mentsch

Hannah M. Lessing erinnert sich an den verstorbenen israelischen Holocaust-Forscher Yehuda Bauer

von Hannah M. Lessing  21.10.2024

Sam Sax

Apokalyptisch in New York

Der queere Coming-of-Age-Roman »Yr Dead« beschreibt eine Selbstverbrennung

von Katrin Diehl  20.10.2024

Tatort

Alte Kriegsverbrechen und neue Zivilcourage

Im neuen Murot-»Tatort« findet ein Kriminalfall im Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Und Hauptdarsteller Ulrich Tukur treibt doppeltes Spiel

von Andrea Löbbecke  20.10.2024

Buchmesse

Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Anne Applebaum

Als die Historikerin Anne Applebaum in Frankfurt mit dem Buchhandels-Friedenspreis geehrt wurde, richtete sie einen dramatischen Appell an die Welt

von Christiane Laudage, Christoph Arens, Volker Hasenauer  20.10.2024