Geschichte

»Antisemitismus hat es immer so gegeben«

Rabbiner Andreas Nachama Foto: Gregor Zielke

Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Andreas Nachama, sieht jüdisches Leben im Nachkriegs-Deutschland als unverändert bedroht an. »Antisemitismus hat es über die Jahre immer so gegeben«, sagte der Berliner Rabbiner dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn. Dort wollte er am Montag und Dienstag sein neues Buch 12 Jahre – 3 Monate – 8 Tage über die Jahre im Nationalsozialismus vorstellen.

Betroffene Juden hätten früher fast nie Anzeigen erstattet, sagte Nachama: »Insofern sehe ich den Anstieg der Zahlen von Antisemitismus-Fällen heute als Ausdruck eines gesteigerten Selbstbewusstseins derer, die angegriffen werden, die die Taten eben nicht auf sich beruhen lassen und sich nicht nur untereinander darüber beklagen.«

betroffene Schon in den 60er-Jahren habe es Übergriffe gegeben, in den 90er-Jahren seien Rabbiner direkt angegriffen worden. Inzwischen gebe es in Deutschland Stellen, an die sich Betroffene wenden könnten wie die Antisemitismusbeauftragten des Bundes und der Länder.

Er persönlich fühle sich als Jude in Deutschland nicht mehr bedroht als zuvor. »Ich lebe in einem Umfeld, in dem die Menschen andere nicht spüren lassen, wer Jude und wer Nicht-Jude ist«, sagte der 69-jährige Nachama, der Sohn von Holocaust-Überlebenden ist: »Außerdem tue ich den Leuten, die Juden dann wirklich bedrohen, nicht den Gefallen, meine Lebensgewohnheiten zu ändern.«

Auch antisemitische Verschwörungstheorien, etwa bei Querdenken-Demonstrationen, sieht der Historiker nicht als neue Erscheinung an: »Diese Theorien sind alle Jahre hindurch in der bräunlichen Schmuddelpresse verbreitet worden.« Heute könne sich das jeder im Internet herunterladen.

verschwörungstheorien Mit Anhängern antisemitischer Verschwörungstheorien, die man noch erreichen könne, solle man aber auf jeden Fall im Dialog bleiben, betonte Nachama, der auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände in Berlin von 1994 bis 2019 geschäftsführender Direktor der Ausstellungsstiftung »Topographie des Terrors« war. »Wenn wir als Aufklärer, als Erzieher, als Personen des öffentlichen Lebens nicht mehr an die Aufklärung, an die gute Macht des Wortes, glauben, dann haben wir verloren«, betonte er.

Natürlich gebe es Leute aus rechten und islamistischen Kreisen, die mit Juden gar nicht erst reden wollten. Auch im christlichen Bereich gebe es Personen und Gruppen, mit denen der Dialog frustrierend sei, sagte der Autor und Herausgeber zahlreicher Sachbücher. »Man sollte aber immer ausloten, ob es nicht etwas gibt, was wir teilen und wo wir ins Gespräch kommen könnten: etwa im Bereich Erhaltung der Schöpfung oder in Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau.« epd

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025