Pop und Politik

Another Brick in the Wall

Roger Waters nimmt die optische Nähe zur SS-Uniform in Kauf Foto: imago

Pop und Politik

Another Brick in the Wall

Noch einer, der Israel nicht mag: »Pink Floyd«-Veteran Roger Waters gibt den Nahostexperten

von Fabian Wolff  07.01.2013 20:27 Uhr

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

So beginnen präzise Analysen der Lage im Nahen Osten: »Ich weiß sehr wenig über die ägyptische Politik«, gibt Roger Waters in einem YouTube-Video zu. Das hält ihn – We don’t need no education im Kopf – aber nicht davon ab, in den nächsten zehn Minuten allgemeine Ratschläge zur Lösung des Nahostkonflikts zu erteilen und die Ägypter zur Solidarität mit den Palästinensern aufzufordern.

Bisher war Waters vor allem als kreativer Kopf von »Pink Floyd« bekannt, die in den Siebzigern mit Alben wie Animals und Dark Side of the Moon zu den Königen des Prog-Rocks wurden. Als sonderlich politischer Künstler trat Waters dabei nicht in Erscheinung, sieht man von hellsichtigen Warnungen vor fliegenden Riesenschweinen und marschierenden Hämmern ab. In den letzten Jahren aber hat der Popmusiker sich ganz leise zum lauten pro-palästinensischen und anti-israelischen Aktivisten entwickelt.

Apartheid Als Sprecher des »Russell Tribunal on Palestine« durfte er Ende November, am »Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk«, sogar vor der UN auftreten. Dort bezichtigte Waters Israel der Apartheid, ethnischer Säuberungen und diverser Kriegsverbrechen. Er forderte seine Zuhörer auf, sich vorzustellen, was passiert, wenn Phosphor »in Berührung mit der Haut eines Kindes kommt« – das Gleiche wie bei der Haut eines Erwachsenen, sollte man meinen.

Überhaupt, die Kinder: Raketen auf zivile Gebiete in Israel seien zwar »falsch«, stellte Waters fest. Wenn man sich aber zum Beispiel den palästinensischen Jungen, der von einem israelischen Soldaten beim Fußballspielen erschossen wurde, vor Augen führe, würden diese Raketen ... was? »Ex iniuria ius non oritur« (Aus Unrecht entsteht kein Recht) – sagte Waters und meinte damit Israel.

trend Originell ist das alles nicht. Man hat es so oder ähnlich schon (zu) oft gehört. Auch, dass in Gaza Pazifisten an der Macht sind: »Wo ich herkomme, wissen wir nichts davon, dass die Hamas zu Frieden nicht bereit ist.« Mal ganz abgesehen vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage wundert es, wenn ein Brite aus Surrey von »uns New Yorkern« spricht, nur weil er seit noch nicht mal zehn Jahren auf Long Island lebt.

Mit einem weiteren bedeutungsschwangeren »Wir« und ein paar Tränen in der Stimme schloss Waters seinen Bericht, nicht ohne aber auch einen Schimmer Hoffnung zu verbreiten: »Um mit Bob Dylan zu sprechen: The times, they are a-changin’.« Das wird Dylan, der Israel schon vor Jahren in dem Song Neighborhood Bully gegen Kritik von der Watersschen Sorte vehement verteidigt hat, sicher unheimlich gefreut haben.

Mit seinen Ausfällen ist Roger Waters Teil einer alten Tradition: englische Popmusiker mit dummen bis ekligen politischen Ansichten. Morrissey kokettiert seit fast 30 Jahren mit seinem Rassismus. Eric Clapton hat in den 70ern als Unterstützer von Enoch Powell gefordert, dass »England weiß bleiben soll«. Clapton und Waters haben sich sogar schon gemeinsam politisch engagiert, als beide gegen ein Verbot der Fuchsjagd eintraten. »Israelkritik« ist in England seit etlichen Jahren sowieso Trendsport in der Populärkultur geworden. Vorreiter ist dabei der Regisseur Ken Loach, der sich sogar weigert, an Filmfestivals mit israelischen Beiträgen teilzunehmen.

The wall Ob man als Konsument wegen solcher Haltungen nicht nur die Künstler, sondern auch deren Kunst meiden soll, muss jeder für sich selbst entscheiden. Waters, der Israel-Boykotte als »Maßnahme der Liebe« beschreibt, vermischt aber beides immer wieder. Vor der UN zitierte er seinen Song The Gunner’s Dream und deutet heutzutage gerne sein legendäres Album The Wall, eigentlich ein recht intimes Statement über private Entfremdung, zum prophetischen politischen Manifest um – schließlich steht im Nahen Osten ja auch eine Mauer, das darf man nicht ungenutzt lassen.

Sogar einen Song for Palestine hat Waters geschrieben, in dem er allen Ernstes »We Shall Overcome« verkündet. Auch wenn der Pink-Floyd-Veteran ehrlich glaubt, zu diesem »We« zu gehören: Fünf Minuten altbekanntes Gitarrengegniedel hilft bei der Lösung des Nahostkonflikts auch nicht weiter.

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  17.11.2025

TV-Tipp

»Unser jüdischer James Bond«

Die Arte-Doku »Der Jahrhundert-Spion« erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel, der seinerzeit den Ausbruch des Kalten Kriegs beschleunigte

von Manfred Riepe  17.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  17.11.2025

Miss-Universe-Show

Miss Israel erhält Todesdrohungen nach angeblichem Seitenblick

Auch prominente Israelis sind immer öfter mit Judenhass konfrontiert. Diesmal trifft es Melanie Shiraz in Thailand

 17.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  17.11.2025

Jubiläum

Weltliteratur aus dem Exil: Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren

Ihre Romane über den Nationalsozialismus machten Anna Seghers weltberühmt. In ihrer westdeutschen Heimat galt die Schriftstellerin aus Mainz jedoch lange Zeit fast als Unperson, denn nach 1945 hatte sie sich bewusst für den Osten entschieden

von Karsten Packeiser  17.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025