Aus der ganzen grobschlächtigen Entourage Adolf Hitlers stach Albert Speer als vermeintlich feinsinniger Intellektueller und Künstlertyp hervor. Das ist zumindest der Eindruck, den er beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess hinterließ.
Als einziger der angeklagten NS-Verbrecher bekannte sich Hitlers Architekt und Rüstungsminister mitverantwortlich für die Gräuel des Regimes, eine persönliche Schuld allerdings lehnte auch er ab. Der französische Autor Jean-Noël Orengo setzt in seinem Roman »Der Architekt und der Führer« bei diesem Mythos Speers als »guter« Nazi an, den dieser selbst in seinen in der Haft geschriebenen Memoiren in die Welt setzte.
Mythos Speers als »guter« Nazi
In reportageartigen, szenischen Bildern präsentiert Orengo den jungen Speer als Künstlerfreund des Führers. Zwei Männer, verbunden in der fantastischen Vision eines größenwahnsinnig umgestalteten Berlins als künftige nationalsozialistische Hauptstadt »Germania«.
Wie leicht verschwand hinter diesen geschönten Bildern Speers sinistre Rolle als fanatischer Reichsrüstungsminister, der den Krieg mit aller Macht am Laufen hielt und damit Hunderttausende von Zwangsarbeitern in den Tod schickte. Orengo aber lässt Speer dies nicht durchgehen. Er zeigt den nach seiner Entlassung umjubelten Alt-Nazi als das, was er war: ein Meister der Inszenierung, der Blendung und der Lüge – und das lange, bevor es den Begriff »Fake News« gab.
Jean-Noël Orengo: Der Architekt und sein Führer, Rowohlt Verlag, Hamburg, 272 Seiten, 24,00 Euro