Amerika/Asien

Von Unterstützung bis Distanz

Proisraelische Kundgebung vergangene Woche auf dem New Yorker Times Square Foto: picture alliance / Pacific Press

Wieder flogen Raketen im Minutentakt auf Israel, wie im Jahr 2014. Der Beschuss allerdings ist heftiger und strukturierter als vor der bisher letzten großen Terroroffensive der Hamas damals. Und auch sonst hat sich einiges verändert.

Als 2014 die israelische Armee mit Luftangriffen und Bodentruppen die Operation »Protective Edge« durchführte, veröffentlichte die Union of Reform Judaism, die nach Zahlen größte jüdische Organisation in den Vereinigten Staaten, ein Gebet für Israel und seine Truppen. Darin hieß es: »Und dennoch können wir keine Geiseln von Gewalt und Hass bleiben. Wie lange sollen wir denn noch warten?«

Auch 2021 gab es wieder ein Gebet. Doch es klang distanzierter. Und auch die begleitende Erklärung, die Rabbi Rick Jacobs, Präsident der Union, abgab, war alles andere als eine bedingungslose Solidaritätsadresse. »Die Äußerungen und Handlungen von Extremisten, die polarisieren wollen – ob Juden oder Palästinenser –, dürfen nicht die Oberhand gewinnen«, heißt es.

WANDEL Dieser deutliche Wechsel in der Ansprache ist Ausdruck eines dramatischen Wandels innerhalb des amerikanischen Judentums und seiner Vertreter in Politik und Gesellschaft. Zwar steht weiterhin die unverbrüchliche Solidarität der großen, eher konservativen Freundschaftsorganisationen wie AIPAC (American Israel Public Affairs Committee), StandWithUs oder AJC (American Jewish Committee), deren Webseite von einem Banner ausgefüllt ist, auf dem steht: »Israel wird nie allein sein, solange wir es unterstützen«, doch in der Politik wie auch in den eher progressiven jüdischen Strukturen hat sich das Bild gewandelt.

Die Trump-Jahre scheinen eine Gegenbewegung ausgelöst zu haben.

Es scheint, als hätten die Trump-Jahre mit ihren plakativ bedingungslosen Pro-Israel-Aktionen, deren Motivation bis heute umstritten bleibt, eine Gegenbewegung ausgelöst. Das gilt besonders für die Demokraten, bei denen es mittlerweile ein offen antiisraelisches Lager gibt. So twitterte die Kongressabgeordnete Cori Bush aus Missouri vergangene Woche: »Der Kampf für ›Black Lives‹ und der Kampf für die Befreiung Palästinas hängen zusammen. Wir wehren uns dagegen, dass unser Geld militarisierte Polizeistrukturen, Besatzung und Systeme gewalttätiger Unterdrückung und Traumatisierung finanziert. Wir sind gegen Krieg. Wir sind gegen Besatzung. Wir sind gegen Apartheid. Punkt!«

Auch in einer Rede ein paar Tage zuvor war Bush bereits deutlich geworden: »Es ist mir mittlerweile klar, dass wir genau die Ausrüstung, mit der wir (die Schwarzen in den USA) misshandelt werden, dem israelischen Militär schicken, um die Palästinenser zu misshandeln und in Schach zu halten.«

HETZE Antiisraelische Hetze aus dem Parlament der USA. Was früher undenkbar gewesen wäre, ist durch Bernie Sanders, den Beinahe-Kandidaten, und andere schon beinahe mehrheitsfähig geworden. Große Teile des eher linken Spektrums in den USA sehen die Achse Trump–Netanjahu als größeres Übel in ihrem Verhältnis zu Israel als die Bedrohung durch Irans Stellvertreterorganisationen in Gaza, im Libanon und im Westjordanland.

»Das ist der Kampf um die Seele unserer Partei, den wir über Jahre auf uns zukommen sahen und auf den wir uns vorbereitet haben«, sagte der Demokrat Jason Isaacson vom American Jewish Committee der Zeitung »Forward«. Noch, so Isaacson, seien die Israelgegner in seiner Partei in der Minderheit.

Da sich die Anti-Israel-Kräfte aber immer besser organisieren und strukturieren, scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Mehrheitsverhältnisse ändern. Da passt es ins Bild, dass sich Abertausende in verschiedenen Städten der USA zu Solidaritätsveranstaltungen versammelten – für die Palästinenser.

SOLIDARITÄT Erstaunliche und gänzlich unerwartete Solidaritätsbekundungen für Israel kommen hingegen aus Indien, wie der gewiss nicht israelfreundliche Sender Al Jazeera berichtet. Auf dem Subkontinent lagen in der vergangenen Woche auf Twitter Hashtags wie #ISupportIsrael, #IndiaWithIsrael, #IndiaStandsWithIsrael and #IsraelUnderFire im Trend. In vielen Tweets wurden die Palästinenser »Terroristen« genannt – #PalestineTerrorists war einer der Toptrends.

Auch die Bharatiya Janata Party (BJP), die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Narendra Modi, stimmte in den Chor ein.
»Liebe Israelis, ihr seid nicht allein, wir Inder stehen an eurer Seite«, twitterte BJP-Politiker Gaurav Goel. Auch dies ist ein Paradigmenwechsel, waren die Inder doch als ehemalige britische Kolonie traditionell gegen die Politik des Königreichs und für »ihre gefesselten Brüder« eingestellt. So sagte der weltweit verehrte Mahatma Gandhi im Jahr 1938: »Palästina gehört den Arabern so wie England den Engländern oder Frankreich den Franzosen.«

Während es unter indischen Intellek­tu­ellen wie etwa bei der Schriftstellerin Arundhati Roy traditionell pro Palästina zugeht, haben die Regierungspartei und Ministerpräsident Modi die Vorzüge regulärer Beziehungen zum wirtschaftlich und technologisch so starken Israel entdeckt. Und natürlich spielt die laute Solidarität mit Israel auch der traditionell muslim-feindlichen Hindupartei BNP in die Hand.

parolen Beistandsadressen von zweifelhaften Freunden und schwindende Solidarität beim wichtigsten Partner: Die Randerscheinungen der aktuellen Terrorwelle gegen Israel sind alarmierend für den jüdischen Staat, ebenso die Nachrichten aus Europa mit Bildern voller Palästinenserflaggen und antisemitischen Parolen.

Indirekten Zuspruch – inklusive der Drohung, weitere Investitionen in Gaza zu stoppen – gab es aus bislang unerwarteter Richtung: »Wenn die Hamas sich nicht zu einer kompletten (Waffen-)Ruhe verpflichtet, verdammt es die Einwohner Gazas zu einem Leben voller Leiden. Seine Anführer müssen begreifen, dass ihre Politik in erster Linie die Bevölkerung Gazas trifft«, hieß es in einer Stellungnahme der Vereinigten Arabischen Emirate gegenüber der israelischen Wirtschaftszeitung »Globes«.

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