USA

Viele Juden trauen Trump nicht über den Weg

Zwei Drittel der US-Juden geben an, sich unter dem Präsidenten, der sich von seinen medialen Unterstützern als »der Auserwählte« und »König von Israel« feiern lässt, weniger sicher zu fühlen als noch vor einem Jahrzehnt. Foto: imago images/MediaPunch

USA

Viele Juden trauen Trump nicht über den Weg

Wie eine Hypothek lastet auf dem Präsidenten der sprunghaft gestiegene Antisemitismus während seiner Amtszeit

von Thomas Spang  31.10.2020 19:30 Uhr

Fünf Prozent der Stimmen sind mehr als die Differenz, mit der Kandidaten bei den US-Präsidentschaftswahlen gewöhnlich Florida gewinnen. Seit Jahrzehnten werden die 29 Wahlmänner hier mit deutlich geringeren Abständen an den Sieger vergeben; zuletzt 2016 mit weniger als einem Prozent. Was erklärt, warum Donald Trump die rund 650.000 jüdischen Wähler im Sonnenstaat ins Visier genommen hat.

Obwohl mehr Juden in den von Demokraten dominierten Staaten New York und Kalifornien leben, haben Amerikaner jüdischen Glaubens laut Ira Sheskin vom »Jewish Demography Project« der Universität Miami »nirgendwo mehr politischen Einfluss« als im »Swing State« Florida. Und sie wählen. 95 Prozent haben sich für die Wahl registrieren lassen, die Hälfte davon ist über 65.

Illoyalität Mehr als 80 Prozent von ihnen leben im Süden Floridas, eine beträchtliche Zahl in der Nachbarschaft der Präsidenten-Villa von Mar-a-Lago in Palm Beach. In Trumps Vorstellung verhalten sich Juden, wie er sich einmal beschwerte, »illoyal« gegenüber ihrem Glauben, wenn sie Demokraten wählen. Denn kein Präsident habe »so viel für Israel getan« wie er.

Nur sechs Prozent der amerikanischen Juden halten das Thema Israel für besonders wichtig.

Er übersieht dabei, dass die meisten Wähler jüdischen Glaubens sich in erster Linie als Amerikaner definieren, denen Israel so sehr am Herzen liegt wie US-Katholiken Rom. Für die Mehrheit steht die Nahost-Politik, wie das »Jewish Electorate Institute« feststellt, weit hinter den Themen Pandemie-Krisenmanagement, Wirtschaft und Gesundheitsversorgung. Nur sechs Prozent halten das Thema Israel für besonders wichtig.

Für die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem bekam Trump vor allem Beifall von den evangelikalen Christen, die auch das sogenannte »Abraham-Abkommen« zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain für wichtiger halten als die jüdischen Wähler. Frustriert hat den Präsidenten auch, dass seine allzu offenkundige Nähe zu Israels Premier Benjamin Netanjahu in dem jüdischen Wählersegment nichts bewegt.

jstreet 2019 ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Pew, dass 42 Prozent der US-Juden Trumps offensive Parteinahme für Israel nicht gutheißen. Dass US-Juden »eine rechtsgerichtete US-Nahostpolitik unterstützen«, sei ein »totaler Mythos«, so der Präsident der liberalen jüdischen Organisation »JStreet«, Jeremy Ben-Ami.

Aktuell findet Trump nur nennenswerte Unterstützung bei den orthodoxen Juden. Doch die machen nur zehn Prozent der US-Juden aus. Zu wenig, um wahlentscheidend zu punkten. Daran ändern auch die 50 Millionen Dollar nicht, mit denen der jüdische Milliardär Sheldon G. Adelson Trump unter die Arme greift.

Traditionell wählen amerikanische Juden Demokraten, die ihnen sozial- und gesellschaftspolitisch näher sind.

Traditionell wählen amerikanische Juden Demokraten, die ihnen sozial- und gesellschaftspolitisch näher sind. Schon vor knapp 100 Jahren stimmten mehr als 70 Prozent für den unterlegenen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Smith, 82 Prozent votierten 1932 für Franklin D. Roosevelt. Und die jüdischen Stimmen für Demokraten steigerten sich in den 40er-Jahren sogar auf über 90 Prozent.

Konsolidierung Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg trägt seinen Teil dazu bei, dass es so bleibt. Er ließ für Joe Biden in Florida 100 Millionen Dollar springen. Ein Teil davon fließt in die Konsolidierung der jüdischen Stimmen.

Dort wiegt schwerer, was Trump als innenpolitisches Erbe hinterlässt: Wie eine Hypothek lastet auf dem Präsidenten der sprunghaft gestiegene Antisemitismus während seiner Amtszeit. Laut Anti-Defamation League sind antisemitische Übergriffe 2019 um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Zwei Drittel der US-Juden geben an, sich unter dem Präsidenten, der sich von seinen medialen Unterstützern als »der Auserwählte« und »König von Israel« feiern lässt, weniger sicher zu fühlen als noch vor einem Jahrzehnt.

Faktencheck

Bei den Sydney-Attentätern führt die Spur zum IS

Nach dem Blutbad am Bondi Beach werden auch Verschwörungsmythen verbreitet. Dass der jüngere Attentäter ein israelischer Soldat sei, der im Gazastreifen eingesetzt wurde, entspricht nicht der Wahrheit

 17.12.2025

Analyse

Rückkehr des Dschihadismus?

Wer steckt hinter den Anschlägen von Sydney – und was bedeuten sie für Deutschland und Europa? Terrorexperten warnen

von Michael Thaidigsmann  17.12.2025

Nachruf

Albtraum in der Traumfabrik

Eine Familientragödie hat den Hollywood-Riesen und seine Frau aus dem Leben gerissen. An Rob Reiners Filmen voller Menschenliebe wie »Harry und Sally« ist eine ganze Generation mitgewachsen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Australien

Der Held von Sydney

Während des judenfeindlichen Terroranschlags am Bondi Beach bewies ein muslimischer Familienvater unfassbaren Mut

von Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Sydney

54 Minuten Horror am Bondi Beach

Am 14. Dezember hat sich der schwerste antisemitische Anschlag auf australischem Boden ereignet. Unsere Korrespondentin berichtet über den schlimmsten Tag für die jüdische Gemeinschaft in Down Under

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025