Südafrika

»Versöhner mit Charisma«

Hatte enge Beziehungen zu den Juden in Südafrika: Nelson Mandela (1918–2013) Foto: dpa

Südafrika

»Versöhner mit Charisma«

Die jüdische Welt trauert um den früheren Präsidenten Nelson Mandela

von Markus Schönherr  09.12.2013 18:40 Uhr

Ich werde ihn als großen Führer in Erinnerung behalten, aber auch als Freund», sagt Denis Goldberg, ein jahrelanger Weggefährte Nelson Mandelas. «Ich bewunderte seinen Mut, seine Klarheit im Denken und die Fähigkeit, Lösungen für politische Probleme zu finden.»

In Südafrika haben auch viele Juden von dem Menschenrechtsaktivisten und früheren Präsidenten Abschied genommen. Er war vor einer Woche in Johannesburg im Alter von 95 Jahren gestorben. Der erste demokratisch gewählte Präsident galt als «Vater aller Südafrikaner». «Er hatte immer eine enge Beziehung zu den Juden des Landes», sagt Mervyn Smith, der Vorsitzende des Afrikanischen Jüdischen Kongresses.

Gedenkfeiern In vielen Städten hielten die jüdischen Gemeinden am Sonntag Gedenkfeiern für Mandela ab. An seine größte Gabe, Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu einen, erinnerten viele Südafrikaner auf dem Grand Parade in Kapstadt: Auf diesem Platz hatte Mandela 1990 seine erste Rede als freier Mann gehalten. Ebenfalls am Sonntag versammelten sich hier Tausende, um führenden Vertretern des Christentums, des Islams und des Judentums zuzuhören.

Bei der offiziellen Trauerfeier mit Staatsgästen aus aller Welt am Dienstag in Johannesburg sprach Südafrikas Oberrabbiner Warren Goldstein das El Male Rachamim für den Verstorbenen und verglich ihn mit dem biblischen Josef: «Wie er stand Nelson Mandela aus dem Gefängnis auf und wurde Präsident einer mächtigen Nation.» Mandelas «große Fähigkeit, zu vergeben, verlieh uns Kraft und bewahrte unser Land vor Ungerechtigkeit», so Goldstein.

Jüdische Erinnerungen an Nelson Mandela ist der Titel eines Buches, das das South African Jewish Board of Deputies (SAJBD) im vergangenen Jahr herausgebracht hat. Damals und auch heute will die jüdische Dachorganisation an Mandela und seine Bindung zur jüdischen Gemeinde erinnern.

Mitstreiter Um vor einer arrangierten Hochzeit zu fliehen, war Mandela 1941 vom Land in die Großstadt Johannesburg gezogen. Hier lernte er seinen späteren Parteikollegen und Mitstreiter Walter Sisulu kennen. Dieser stellte Mandela einem jüdischen Anwalt vor, in dessen Kanzlei er seinen ersten Job als Rechtsanwalt fand.

«Nelson Mandela hatte eine sehr lange und enge Beziehung zur jüdischen Bevölkerung», sagt auch Gavin Morris, der Direktor des Jüdischen Museums in Kapstadt. Er denkt mit Stolz daran zurück, wie Mandela im Jahr 2000 persönlich das Museum eröffnete. Zudem erinnert er daran, dass eine «unverhältnismäßig große Zahl» weißer Anti-Apartheid-Aktivisten jüdischer Herkunft war. Eine von ihnen war Helen Suzman, die sich als einzige Frau im Parlament für das Wahlrecht für Schwarze und für die Legalisierung des African National Congress (ANC) einsetzte. Später sollte die Solidarität zwischen Juden und schwarzen Widerstandskämpfern schwer bestraft werden: In den frühen Morgenstunden des 1. Juli 1990 beschmierten Rechtsextremisten eine Synagoge in Johannesburg und verübten einen Sprengstoffangriff auf sie.

Nachbar 1990, in den letzten Monaten des Apartheid-Regimes kam Nelson Mandela frei. Zwei Jahre später wurden Gesetze abgeschafft, die schwarze Südafrikaner aus den Städten verbannten. Umgehend zog Mandela nach Houghton, einen Vorort von Johannesburg, in dem viele Juden leben. Der jüdische Parlamentarier Tony Leon begrüßte seinen neuen Nachbarn mit einem Schokoladenkuchen.

Begegnungen mit der jüdischen Bevölkerung durchzogen Mandelas gesamtes Leben. Einen Tag, nachdem er 1994 zum Präsidenten gewählt worden war, besuchte er in Kapstadt einen Schabbatgottesdienst. Zwei Jahre später erhielt er einen Brief von Craig Joseph. Der jüdische Junge lud den Präsidenten zu seiner Barmizwa ein. Craigs Eltern schmunzelten über die Aktion – und staunten, als Mandela tatsächlich kam.

Arafat Doch es gab auch Momente, in denen die Juden des Landes Mandela kritisierten: zum Beispiel, als er den Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yassir Arafat, umarmte oder Israel als «Terrorstaat» bezeichnete. David Jacobson, der Direktor des SAJBD, räumt ein: «Die langen Beziehungen des ANC zur PLO sind verständlich angesichts der jahrzehntelangen Kameradschaft.» Während Mandela den Kontakt zur PLO aufrechterhielt, habe er sich jedoch immer bemüht, der jüdischen Gemeinde Anerkennung und Schutz zukommen zu lassen.

Auch im Ausland löste Mandelas Tod Betroffenheit aus. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte: «Mandela war ein großartiger Brückenbauer, ein charismatischer Versöhner, der emotionale und politische Verletzungen zu heilen verstand.»

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, würdigte Mandela als «eine der seltenen Führungspersönlichkeiten, die nicht nur vom eigenen Volk verehrt wurden, sondern weltweit, über alle politischen und Gemeindegrenzen hinweg».

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