Horror und Entsetzen in der jüdischen Gemeinschaft Großbritanniens: Vor der Heaton Park-Synagoge in einem nördlichen Vorort von Manchester wurden bei einem Terroranschlag am Donnerstagvormittag mindestens zwei Menschen getötet, weitere schweben noch in Lebensgefahr.
Auch der Attentäter ist tot; er wurde von der Polizei vor dem Gotteshaus erschossen. Man glaube zu wissen, um wen es sich bei dem Attentäter handele, wolle seine Identität aber vorerst aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben, erklärte ein Polizeisprecher. Auch zum Tatmotiv wurde noch nichts bekannt.
Die Leiche des Attentäters konnte zunächst nicht geborgen werden, da er einen Sprengstoffgürtel oder die Attrape eines solchen am Körper trug. Noch am frühen Nachmittag war ein Bombenentschärfungsteam am Tatort zugange.
Gegen 9.30 Uhr Ortszeit war der Mann mit einem Auto in eine Gruppe von Betern gefahren, die sich vor der Synagoge aufhielten. Anschließend attackierte er eine weitere Person mit einem Messer.
Um 9.38 Uhr trafen Polizisten am Tatort ein. Sie riefen den Umstehenden zu: »Wenn Sie nicht beteiligt sind, treten Sie zurück! Gehen Sie weg! Er hat eine Bombe, gehen Sie weg!« - und feuerten danach mehrmals auf den Attentäter.
Mutige Beter verhinderten Eindringen des Attentäters in die Synagoge
Der Polizeichef von Greater Manchester, Stephen Watson, lobte das Sicherheitspersonal und Gemeindemitglieder für den »Mut«, mit dem sie dem Terroristen begegnet seien. Bei einer Pressekonferenz sagte Watson, zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich zahlreiche Beter in der Synagoge befunden. Aber dank der Tapferkeit des Sicherheitspersonals und der Beter in der Synagoge sowie der schnellen Reaktion der Polizei habe der Angreifer am Zutritt gehindert werden können. Die Personen im Innern des Gebäudes seien in Sicherheit gebracht worden.
Die Identität der Opfer wurde ebenfalls nicht bekannt gegeben. Die Polizei bestätigte aber, das beide Getötete Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Manchester waren. Die Heaton Park Shul liegt an einer Hauptstraße im Stadtteil Crumpsall, in dem viele jüdische Menschen leben. Der Großraum Manchester ist Heimat der zweitgrößten jüdischen Gemeinschaft Großbritanniens nach London.
am Abend gab die Polizei bekannt, dass drei Personen in Zusammenhang mit der Bluttat verhaftet worden seien. Dabei handele es sich um zwei männliche Mittdreißiger und eine Frau Mitte 60. Genaueres wurde nicht bekanntgegeben.
Starmer verspricht mehr Polizeischutz für Synagogen
König Charles III. und seine Frau Camilla zeigten sich in einer Reaktion «zutiefst schockiert und betrübt« über die Nachricht, »vor allem an so einem bedeutenden Tag für die jüdische Gemeinschaft». Ihre Gedanken und Gebete seien bei all denen, die von dem entsetzlichen Vorfall betroffen seien, teilte der Buckingham-Palast am Nachmittag mit. Auch der Thronfolger, Prinz William, und seine Frau Kate zeigten ihre Anteilnahme.
Premierminister Keir Starmer reiste vorzeitig vom Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Kopenhagen ab, um eine Sitzung des nationalen Krisenstabs zu leiten. Starmer sagte zusätzlichen Polizeischutz für die Synagogen im ganzen Land zu. «Wir werden alles tun, um unsere jüdische Gemeinschaft zu schützen», so der Premierminister am Flughafen in Kopenhagen.
Sicherheitswarnung an alle Juden im Land
Der Dachverband der jüdischen Gemeinden in der Region Manchester gab noch am Donnerstag eine Erklärung heraus. »Heute, an Jom Kippur, dem heiligsten Tag des jüdischen Jahres, wurden die schlimmsten Befürchtungen unserer Gemeinde wahr ... Dieser schreckliche Angriff ist der Höhepunkt von zwei Jahren anhaltenden Judenhasses gegen unsere Gemeinde durch diejenigen, die uns wegen des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen angreifen wollen. Es ist ein Ereignis, das jeder Jude in Großbritannien befürchtet hat.«
Der Community Security Trust der jüdischen Gemeinschaft gab am Donnerstag eine Warnung aus und forderte alle Juden im Land auf, sich nicht vor jüdischen Einrichtungen zu versammeln. »Alle Besucher von Synagogen oder anderen jüdischen Einrichtungen müssen die Anweisungen der Sicherheitskräfte und Polizeibeamten befolgen. Insbesondere bitten wir die Menschen dringend, sich nicht vor Gemeinschaftseinrichtungen und Synagogen zu versammeln und deren Türen jederzeit geschlossen zu halten«, so der CST in einer Erklärung auf seiner Webseite.
Der Muslim Council of Britain, ein Dachverband islamischer Gemeinden, verurteilte den Anschlag. »Unsere Gedanken sind mit der jüdischen Gemeinschaft in dieser schwierigen Zeit«, so der MCB in einer auf X veröffentlichten Stellungnahme.
Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf derselben Plattform: »Frankreich steht den Familien, die von dem antisemitischen Terroranschlag auf die Gläubigen einer Synagoge in Manchester betroffen sind, zur Seite; es steht der jüdischen Gemeinde und dem britischen Volk zur Seite. An diesem Jom Kippur bekräftigen wir erneut, dass der Kampf gegen Antisemitismus unser Kampf ist und wir ihn unermüdlich fortsetzen werden.«
Entsetzen auch aus Deutschland
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich ebenfalls erschüttert über den Anschlag. «Er hat erneut die tödliche Dimension von Antisemitismus in Europa gezeigt», sagte Klein der Deutschen Presse-Agentur. Das schnelle Eingreifen der Polizei habe weitere Opfer verhindert. «Ich begrüße es sehr, dass auch hierzulande die Sicherheitsbehörden seit dem Anschlag an Jom Kippur auf die Synagoge in Halle 2019 an diesem wichtigen Tag jüdische Einrichtungen besonders im Blick haben.»
An Jom Kippur 2019 hatte ein Rechtsextremist in Halle versucht, in die dortige Synagoge einzudringen. Als dies misslang, ermordete er zwei Menschen in der Nähe des Gotteshauses. (mit dpa)