Europa

Tendenz steigend

OSZE-Beauftragter Rabbi Andrew Baker Foto: Uwe Steinert

Wie geht Europa mit seinen Minderheiten um? Vertreter jüdischer Gemeinden aus zwölf europäischen Ländern und den USA kamen am Montagabend in Berlin zusammen, um über die Sicherheit jüdischen Lebens in Europa zu diskutieren. Im Rahmen des Europäischen Antisemitismus-Forums sprachen sie über diese Herausforderung für Politik und Gesellschaft.

Eingeladen hatten das American Jewish Committee und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Antisemitismus-Forum wurde vergangenes Jahr ins Leben gerufen, um jüdische Gemeinden, Diplomaten sowie Vertreter europäischer Regierungen und Menschenrechtsorganisationen an einen Tisch zu bringen. Seitdem hat sich zwar einiges bewegt – aber die Herausforderungen für Politik und Gesellschaft sind größer geworden: Der Antisemitismus in Europa nimmt zu, und rechtsextreme Parteien verzeichnen Zugewinne.

Fazit der Konferenz: Antisemitismus ist keine Randerscheinung. Ganz gleich, ob in Frankreich, Griechenland oder Ungarn – die Bedrohung ist ein komplexes gesellschaftliches Problem, das sich weder auf mangelndes Demokratieverständnis oder Israelhass noch auf Geschichtsmüdigkeit beschränken lässt.

Lösungen Als positiv bewerteten die Teilnehmer die Tatsache, dass Experten jüdischer Gemeinden nicht mehr nur intern über Sicherheitsfragen beraten, sondern inzwischen mit Vertretern ihrer Regierungen nach Lösungen suchen. Als gutes Beispiel nannte Mike Whine vom Londoner Government and International Affairs Community Security Trust hier Großbritannien: Seine Regierung stelle sich jährlichen Antisemitismus-Expertisen und reagiere darauf mit Gegenmaßnahmen.

Auch in puncto europäischer Vernetzung habe sich viel entwickelt, lobte Rabbi Andrew Baker, der Antisemitismusbeauftragte der OSZE. Laut Whine und Baker liege dies auch daran, dass die Justiz dank der Initiative jüdischer Sicherheitsexperten vorhandene Gesetze tatsächlich anwende und antisemitische Straftaten konsequent ahnde.

Muslime Ein großes Problem in vielen Ländern ist der muslimische Antisemitismus. Auch hier ist die Politik gefragt. Wo der Anteil an Muslimen hoch ist – wie in Schweden und Frankreich –, steigt die Anzahl gewalttätiger Angriffe auf Juden. Ron Azogui, Chef des Sicherheitsdienstes zum Schutz der Juden in Frankreich (SPCJ), weist darauf hin, dass die potenziellen Opfer rassistischer Diskriminierung selbst zu Tätern werden. Hier gebe es politisch viel zu tun. Azoguis Empfehlung: Bildung, Bildung, Bildung. »Für jeden Euro, den die Regierung für Sicherheit ausgibt, sollte sie zusätzlich einen Euro in die Bildung stecken.«

»Was Europa zusammenhält, sind unsere Werte«, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan. Doch dort, wo Werte wie Toleranz, Pluralität und Offenheit weder gelebt noch von Politikern repräsentiert werden, wittern rechte Parteien die Gunst der Stunde. Unterstützt wurde Nietan von seinem Parteikollegen Michael Roth. Der Staatsminister für Europa betonte, dass sich eine Gesellschaft schuldig macht, wenn sie die gefährlichen Tendenzen von Antisemitismus und Rechtsextremismus ignoriert. »Der Gradmesser für eine demokratische Gesellschaft ist, wie sie ihre Minderheiten schützt.«

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  07.11.2025 Aktualisiert

Hurrikan Melissa

»Ich habe seit einer Woche nicht geschlafen«

Wie ein Rabbiner vom Wirbelsturm in Jamaika überrascht wurde – und nun selbst Betroffenen auf der Insel hilft

von Mascha Malburg  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025