Brüssel

Neu in der Alten Welt

Ein HIAS-Mitarbeiter mit einem syrischen Flüchtling auf der griechischen Insel Lesbos (2018) Foto: HIAS

Das Kürzel HIAS ist nur wenigen ein Begriff, obwohl es sich bei der Hebrew Immigrant Aid Society um eine der ältesten jüdischen Organisationen überhaupt handelt. »Wir wollen, dass die jüdische Gemeinschaft in Europa mehr über unsere Arbeit erfährt. Denn was HIAS im humanitären Bereich leistet, nämlich Menschen zu helfen, ein neues Leben aufzubauen, kann auch zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Juden beitragen«, sagt Melanie Nezer.

Die Leiterin der HIAS-Public-Affairs-Abteilung gibt ein Beispiel aus dem Sudan: Eine Mutter in der Krisenregion Darfur habe vor einigen Jahren ihrem Neugeborenen den Namen Hias gegeben – aus Dankbarkeit für die Unterstützung, die sie erfahren habe.

Europabüro Vor einigen Wochen hat Nezer in Brüssel das neue HIAS-Europabüro eröffnet. Auf dem alten Kontinent ist ihre Organisation zwar schon seit Jahren präsent, unter anderem in der Arbeit mit Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos, aber nur wenig bekannt. Das will man künftig ändern.

Gegründet wurde HIAS 1881 in New York. Ziel war es, den zahlreichen jüdischen Flüchtlingen aus Osteuropa und dem russischen Zarenreich bei ihrer Ankunft in Amerika zu helfen.

Wohl die allermeisten Juden, die im 20. Jahrhundert über Ellis Island und andere Häfen als anerkannte Flüchtlinge im Land der unbegrenzten Möglichkeiten landeten, kamen irgendwann mit HIAS in Kontakt.

Wohl die allermeisten Juden, die im 20. Jahrhundert über Ellis Island und andere Häfen als anerkannte Flüchtlinge im Land der unbegrenzten Möglichkeiten landeten, kamen irgendwann mit HIAS in Kontakt – viele, ohne es zu merken.

Das Hilfswerk gibt Essen aus, sorgt dafür, dass Neuankömmlinge eine Wohnung, eine Gastfamilie und einen Job finden, und es hilft ihnen in den ersten Monaten nach der Ankunft, sich im fremden Land zurechtzufinden. Neben acht weiteren, christlichen, Verbänden ist HIAS die einzige jüdische NGO, die als offizieller Partner des State Department bei der Integration von Flüchtlingen im Rahmen des »Refugee Resettlement«-Programms mitarbeitet.

»Wir sind wahrscheinlich das älteste Hilfswerk für Flüchtlinge und Migranten, das es heute weltweit gibt«, sagt Nezer, der am HIAS-Sitz in Washington immerhin 40 Mitarbeiter zuarbeiten.

Sowjetunion Nachdem HIAS nach der Schoa mithalf, die Einwanderung europäischer Juden und später die von rund 400.000 Juden aus der Sowjetunion zu stemmen, stellte sich Ende der 90er-Jahre die Frage nach dem Fortbestand der Organisation, denn die Zahl jüdischer Migranten, die in die USA kamen, war stark zurückgegangen.

»Wir standen vor einer Weichenstellung: Sollten wir aufhören oder weitermachen? Doch wir fanden, dass uns unsere jüdischen Werte verpflichten, Fremden zu helfen. Und wir hatten eine große Expertise auf diesem Gebiet«, erzählt Nezer.

Derzeit hat HIAS mehr als 600 Angestellte weltweit – und die Organisation wächst.

Und so entwickelte sich seit 1998 aus einem Hilfswerk, das sich auf jüdische Flüchtlinge in den USA konzentriert hatte, nach und nach eine weltweit aktive Organisation, die in erster Linie nichtjüdische Flüchtlinge und Migranten unterstützt.

Lateinamerika Derzeit hat HIAS mehr als 600 Angestellte weltweit – und die Organisation wächst. Hauptschwerpunkt der Arbeit ist Lateinamerika. »Wir sind dort die größte Flüchtlingshilfsorganisation«, sagt Nezer.

In Venezuela kümmerte man sich vor 20 Jahren um Menschen aus dem Nachbarland Kolumbien, die vor den bürgerkriegs-ähnlichen Zuständen im Land flohen. Heute gibt es Wanderungsbewegungen in die entgegengesetzte Richtung, und HIAS hilft. Auch in Kenia und auf der griechischen Insel Lesbos führt die Organisation Projekte für Flüchtlinge durch.

Der neue Verbindungsmann in Brüssel ist der Niederländer Ilan Cohn. »Unser Ziel ist es, zunächst einmal den Kontakt mit den jüdischen Gemeinden in Europa sowie mit den EU-Institutionen aufzubauen – vor allem dort, wo es um Projekte zugunsten Geflüchteter geht«, sagt Cohn. Ziel sei es, nach dem Vorbild der kirchlichen Hilfsorganisationen auch einen hu­manitären Arm der jüdischen Gemeinschaft zu etablieren und so die Gemeinden in Europa in die internationale Flüchtlingsarbeit zu involvieren, so Cohn.

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025