Neue Studie aus den USA

Israelhass an der Uni: »weniger sichtbar, radikaler, gefährlicher«

Herr Jikeli, Sie sind Co-Autor einer neuen Studie über antiisraelische Campus-Gruppen an US-Universitäten, deren Netzwerke und Narrative. Wie radikal sind die Aktivisten?
Sie sind jetzt weniger sichtbar, aber damit abgeschotteter, radikalisieren sich weiter und werden gefährlicher. Aus dem Aufruf zu Gewalt kann Gewalt werden.

Sie meinen die Anschläge in Washington und Boulder?
Das waren keine Campusgruppen. Aber der Angreifer in Washington steckte in Chicago in radikalen Strukturen, die auch an manchen Universitäten mitmischen.

Laut Ihrer Studie korreliert die Anzahl der Gruppen mit antisemitischen Angriffen.
Die Gruppen sind extrem gut organisiert. 80 Prozent sind auf Instagram. Am Stärksten sind die Students for Justice in Palestine (SJP), eine radikale Gruppe, die schon vor 30 Jahren gegründet wurde und deren Strukturen unklar sind. Aber das sind nicht alles Studierende. Deren Ziel ist, an jeder Uni vertreten zu sein, indem sogenannte Chapter gegründet werden. Da wurden bereits am 8. Oktober 2023 Toolkits ausgegeben, mit Vorgaben für Plakate, Instagram-Posts - alles vorbereitet mit Bildern und dem Aufruf zum »Day of Resistance« für den 12. Oktober. Das ging einher mit einem enormen Anstieg von antisemitischen Vorfällen an den Unis in den Tagen direkt nach dem 7. Oktober.

Wie konnte das Toolkit bereits einen Tag nach den Hamas-Massakern im Süden Israels fertig sein?
Die haben 30 Jahre Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Auch beim Gaza-Krieg 2021 gab es das schon. Da haben sich bereits viele radikalisiert. Und nach dem 7. Oktober hat die Hassrhetorik der Studentengruppe sogar die englischsprachige Propaganda der Hamas getoppt. Unglaublich.

Und wie reagieren die Universitäts-Leitungen?
Die Anführer sind bekannt, die Social-Media-Accounts sind bekannt, wo offen die Hamas glorifiziert wird – und es passiert nichts. Schweigen.

Die Normalisierung des Hasses ist abgeschlossen?
Überhaupt nicht abgeschlossen. Man kann immer noch einen draufsetzen.

Haben Sie im Rahmen der Studie eine Erklärung dafür gefunden, warum der Israelhass so verfängt?
Nicht alle teilen einen antizionistischen Diskurs. Es sind vor allem die Doktoranden und die Dozenten. Die neuankommenden Studierenden weniger. Also, die, die noch nicht indoktriniert sind.

Lassen wir uns das doch mal auf der Zunge zergehen: An den US-Eliteuniversitäten ist die kritische Auseinandersetzung nicht mehr existent?
Gerade an den Eliteunis noch stärker als an anderen. Der Antizionismus ist schick geworden, ein Trend, und wer ihn nicht teilt, ist nicht mehr mit dabei.

Aber Trends sind ja meist kurzlebig.
In den USA ändern sich die Dinge tatsächlich unglaublich schnell. Es kann auch wieder in die andere Richtung gehen. Das hat mit der Geschichte des Landes zu tun. Die Dinge sind nicht so gefestigt. Laut einer jüngsten Umfrage des Pew-Instituts ist der Anteil der Amerikaner, die eine positive Einstellung zu Israel haben auf 45 Prozent gesunken. Das muss aber nicht so bleiben.

Erleben Sie Angriffe?
Sicher, auf Veranstaltungen, allein weil Antisemitismus das Thema ist, aber auch persönlich. Ich baue zu Hause gerade eine Kamera an.

Wie erfolgversprechend sind Gegenmaßnahmen wie ein Visa-Entzug, die Verhaftung von Aktivisten oder die vom Department of Homeland Security geplanten Screenings von Social Media?
Ganz ehrlich: keine Ahnung. Dass die Universitäten eigenständig diese antizionistische Indoktrinierung bekämpfen, sehe ich nicht. Es gab überhaupt nur eine Handvoll Unipräsidenten, die die Massaker des 7. Oktober klar verurteilt hat. Meine Hoffnung liegt bei den jungen Studierenden, die dieses Lernumfeld nicht wollen, die sagen, da werde ich indoktriniert, und das bringt mir nichts.

Günther Jikeli ist Historiker und Soziologe und ist Professor am Institute for the Study of Contemporary Antisemitism an der Indiana University Bloomington in den USA. Mit ihm sprach Sophie Albers Ben Chamo.

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025