Kochen

»Ich liebe Apfelstrudel«

Florence Kahn Foto: Delphine Constantini

Frau Kahn, wenn Sie sich für einen Moment an Ihre Kindheit erinnern – wie wurde das Essen bei Ihnen zu Hause zubereitet?
Ich erinnere mich an die Morgenstunden, wenn meine Mutter früh aufstand, um zu kochen. Das ganze Haus duftete nach Knoblauch, gehackten gebratenen Zwiebeln, einem Teig im Ofen. Und ich erinnere mich an die feuchte Luft in der Küche. Wenn ich daran denke, läuft mir heute noch das Wasser im Mund zusammen. So war es an allen Feiertagen oder kurz bevor wir auf Reisen gegangen sind.

Sie betreiben »La Boutique« im Pariser jüdischen Viertel Marais. Kann man in Ihrem Laden Ihre Kindheit schmecken?
Das hoffe ich. »La Boutique« ist wie ein Treffpunkt der jüdischen Gemeinschaft von Paris. Es gibt diese besondere Stimmung, die mit nichts in der Welt zu vergleichen ist – die Begeisterung für den Schabbat oder die Spaziergänge am alten Stadtrand von Paris.

Wenn man einen ganzen Tag in »La Boutique« verbringen würde. Wen würde man dort treffen?
Ganz unterschiedliche Menschen: Ganz bestimmt Touristen, die von überall auf der Welt in die Rue des Rosiers kommen, um dort spazieren zu gehen und Zeugen der jüdischen Geschichte Frankreichs zu werden. Aber auch Pariser Bürger, Nachbarn, Leute von weit weg. Sie alle kommen, um typisch jüdisches Essen zu kaufen, wie Challe, Pasteten, Mohn- oder Käsekuchen, Apfelstrudel – und natürlich Bagel. Manchmal schauen auch berühmte Schauspieler, Politiker, aber auch Nichtjuden vorbei.

Was bedeutet typisch jüdische Küche für Sie?
Einen großen Teil meines kulturellen Erbes.

Für Ihr Buch »Meine jüdische Küche« haben Sie traditionelle Rezepte mit einem modernen Akzent herausgesucht. Was inspiriert Sie beim Kochen?

Ich wollte, dass dieses Buch zeigt, dass Kochen eben nicht kompliziert sein muss und lange dauert, wie vielleicht viele Menschen denken. Ich wollte Rezepte für die moderne Frau machen, die nicht so viel Zeit hat, das Schabbatessen vorzubereiten. Der Trend geht zur Vereinfachung.

Im Vorwort Ihres Buches schreiben Sie, dass Sie sich auch als eine Art Botschafterin für Essen sehen: Was möchten Sie den Menschen sagen?
Ich denke, es gibt viele Wege, mein Judentum zu vermitteln: die Religion auszuüben, in die Synagoge zu gehen, den Kindern Respekt vor dem Glauben und vor dem Essen zu lehren. Es ist eben eine Kultur. Wie Literatur, Malerei, Philosophie oder Musik. Und was das Kochen angeht: Meine Großmütter haben typisch aschkenasisches Essen zubereitet. In meinem Laden und durch meine Kochbücher möchte ich ihr Wissen weitergeben. Das können nicht viele Menschen, denn die meisten haben kein Unternehmen in dem Sinne. Deswegen bin ich eine Botschafterin.

Ist es eigentlich schwieriger geworden, Männer und Frauen vom Kochen zu überzeugen, wo es doch so einfach ist, Fertigessen einfach mal so nebenbei zu erwärmen?
Das denke ich nicht. Männer und Frauen interessieren sich immer mehr für das, was sie kochen, und sind daran interessiert, die Küchen ihrer Familien zu erhalten.

Und die Frage zum Schluss: Was ist Ihr Lieblingsessen?
Ich liebe Apfelstrudel, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist da dieser unwiderstehliche Duft von gebackenen Äpfeln und Karamell. In diesem Moment zählt nichts anderes mehr: keine Diät, kein gar nichts. Zum anderen erinnere ich mich dabei an die Gerüche, die Aromen meiner Kindheit, an die Güte meiner Mutter, an die Fröhlichkeit meiner Familie und an die Menschen, die ich liebe.

Mit der Bistro-Besitzerin und Autorin sprach Katrin Richter.

Florence Kahn: »Meine jüdische Küche. Rezepte für Hummus, Bagels, Cheesecake und Co.«, h.f.ullmann, Potsdam 2016, 144 S., 12,99 €

www.florence-kahn.fr
www.ullmannmedien.com

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