Groß war die Empörung, als im Februar dieses Jahres ein Foto um die Welt ging, das den Aushang eines Davoser Schlittenverleihs an der Bergstation Pischa zeigte. Aufgrund schlechter Erfahrungen werde man keine Sportgeräte mehr an jüdische Gäste vermieten, stand da zu lesen. (Die »Jüdische Allgemeine« berichtete). »Diskriminierung« und »Chuzpe« waren die harmloseren Vorwürfe an den Verleih, aber auch an die weltbekannte Destination in den Bündner Bergen, für die Thomas Mann einst den Namen »Zauberberg« fand. Kurz darauf war zudem ein jüdischer Mann in Davos antisemitisch beleidigt worden.
Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und orthodoxen Gästen gekommen, was für negative Schlagzeilen sorgte. Vor allem, als im Sommer 2023 der damalige Davoser Tourismus-Chef das Dialog- und Präventionsprogramm »Likrat Public« nach fünf Jahren einseitig kündigte. Die Initiative hatte der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ins Leben gerufen, um das Wissen über das Judentum zu stärken und das Verständnis zwischen der lokalen Bevölkerung und den jüdischen Gästen zu fördern.
Taskforce soll helfen
Mit dem gleichen Ziel hat nun die Arbeitsgruppe »Verständigungsprozess in Davos« in der vergangenen Woche einen mehrstufigen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Diese Taskforce war nach dem endlosen Streit im vergangenen Spätsommer ins Leben gerufen und vom ehemaligen Schweizer Staatssekretär Michael Ambühl geleitet worden. Die wichtigste der neuen Maßnahmen ist, dass das abgesagte Likrat-Projekt nicht nur weitergeführt, sondern auch ausgebaut werden soll.
Es werden neue »Likratinos und Likratinas«, wie die Mediatoren genannt werden, angeheuert. Nicht zuletzt auch solche mit orthodox-religiösem Hintergrund, um sicherzustellen, dass die charedischen Gäste in Davos auch Ansprechpartner auf jüdischer Seite haben, die sich noch stärker als bisher in deren Bedürfnisse hineindenken können. Zudem soll ein Schweizer Rabbiner, dessen Name bisher nicht genannt wurde, der aber anscheinend keiner Gemeinde vorsteht, als Ansprechperson im Hintergrund helfen.
Ein entscheidender Punkt ist schließlich, dass sich Davos nun auch finanziell am »Likrat Public«-Projekt und den weiteren Maßnahmen beteiligen wird, wo Organisation und Finanzierung bisher allein beim SIG lagen. Etwas, das nicht zuletzt in jüdischen Kreisen für Kritik gesorgt hatte.
Die Stadt Davos beteiligt sich
SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner zeigte sich zufrieden über den verabschiedeten Maßnahmenkatalog: »Für uns war es sehr wichtig, dass der Ort zeigt, dass ihm diese Maßnahmen wichtig sind – auch und nicht zuletzt finanziell.« Kreutner betonte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass Davos nun ebenfalls Verantwortung für die Umsetzung übernehme und der SIG nicht mehr allein dastehe.
Die Stadt möchte es aber nicht dabei belassen: Die Auseinandersetzung mit der eigenen jüdischen Geschichte soll vertieft, Informationsmaterial für Einheimische und Gäste bereitgestellt und der Dialog gefördert werden. Es soll verschiedene Veranstaltungen geben, wo auch der inhaltliche Programmpunkt »Grenzen zum Antisemitismus« besprochen wird. Außerdem werde unter anderem der Historiker Stefan Keller, der durch seine Recherchen über Polizeihauptmann Paul Grüninger, der Hunderte Juden vor den Nazis rettete und dafür diffamiert wurde, bekannt geworden war, seine Arbeit zur jüngeren Geschichte von Davos aktualisieren.
Für den Davoser Gemeindepräsidenten Philipp Wilhelm sind dies alles wichtige Schritte in die richtige Richtung: »Wir möchten nun in die Zukunft schauen.«