Interview

Fünf Minuten mit

Herr Deutsch, die Beschneidungsdebatte hat inzwischen Österreich erreicht. Erschreckt Sie das?
Es ist bedauerlich, dass die Diskussion aus Deutschland herübergeschwappt ist. Aber in Österreich ist die Gesetzeslage klar. Die freie Religionsausübung ist garantiert und aufgrund des neuen Israelitengesetzes geschützt. Unsere drei Mohelim, die zwischen 100 und 150 Beschneidungen im Jahr vornehmen, werden ihre Arbeit nicht einstellen.

Sehen Sie hinter der Diskussion eine antisemitische Kampagne?
Als Erste haben sich sogenannte Religionsgegner zu Wort gemeldet. Dann sind aber Trittbrettfahrer mit eindeutig antisemitischen und ausländerfeindlichen Absichten und Parolen auf den Zug aufgesprungen. Das lassen wir uns nicht gefallen. Wir halten uns an die Gesetze und diese erlauben die Beschneidung. Wir lassen uns Versuche, unsere freie Religionsausübung einzuschränken, nicht gefallen. Sollte die Beschneidung aber verboten werden, dann können wir nicht mehr in diesem Land leben. Wir werden alles tun, damit das Gesetz nicht angetastet wird.

Die Empfehlungen der Landeshauptmänner, die Beschneidungen in ihren Bundesländern einzustellen, haben die Diskussion verschärft. Versuchen diese, bei den Beschneidungsgegnern zu punkten?
Bisher haben sich die Landeshauptmänner von Vorarlberg und Kärnten gegen die Beschneidung geäußert. Das ist eindeutig populistisch und hat auch mit anstehenden Wahlen zu tun.

Haben Sie deshalb so schnell reagiert?
Wenn antisemitische Äußerungen im Raum stehen oder wenn gegen Minderheiten vorgegangen wird, dürfen wir nicht schweigen, sondern müssen gegen Antisemitismus auftreten und die Rechte von Minderheiten offensiv in der Öffentlichkeit verteidigen. Unsere Gemeindemitglieder machen sich Sorgen. Es ist unsere Aufgabe, alles zu tun, damit diese Debatte beendet wird.

Auch die anderen abrahamitischen Religionsgemeinschaften fordern mit Ihnen in einer gemeinsamen Erklärung ein Ende der Debatte und eine Garantie der Regierung, die bestehenden Gesetze nicht anzutasten. War es schwierig, Muslime, Katholiken, Protestanten und Juden dafür an einen Tisch zu bekommen?
Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich sehr, dass sich die Islamische Glaubensgemeinschaft, die katholische und evangelische Kirche auf meine Initiative hin zusammengesetzt haben. Es gab keine großartigen Diskussionen, alle waren sofort bereit, sich den Forderungen der Israelitischen Kultusgemeinden anzuschließen, weil sie erkannt haben, dass der Hintergrund auch eine antireligiöse Kampagne ist. Wir haben die Regierung aufgefordert, klar Stellung dazu zu beziehen, dass die bestehenden Gesetze nicht modifiziert werden und die Beschneidung auch weiterhin erlaubt sein wird.

Hat es schon Gespräche mit der österreichischen Regierung gegeben?
Nein. Aber die Justiz- und die Erziehungsministerin haben sich ganz eindeutig für den Fortbestand der Rechtslage ausgesprochen. Auch der Gesundheitsminister hat sich ähnlich zu Wort gemeldet. Aber es ist jetzt an der Zeit – auch aufgrund der Äußerungen der beiden Landeshauptmänner –, dass die Regierung, dass der Bundeskanzler und der Vizekanzler Stellung beziehen. Ich gehe davon aus, dass es bald eine solche Erklärung geben wird.

Mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs sprach Hans-Ulrich Dillmann.

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Interview

Josef Schuster on the J7 Task Force: »We Are a Driving Force«

The President of the Central Council of Jews in Germany, on the Large Communities’ Task Force Against Antisemitism (J7), the German chairmanship and a meeting in Berlin

von Philipp Peyman Engel  05.05.2025

Interview

»Wir sind ein Impulsgeber«

Zentralratspräsident Josef Schuster über die Internationale Task Force gegen Antisemitismus J7, den deutschen Vorsitz und ein Treffen in Berlin

von Philipp Peyman Engel  05.05.2025

Ukraine

Mit Tränen in den Augen

Die Weltordnung zerfällt, doch eine sinnvolle Gestaltung des 80. Jahrestags zum Ende des Zweiten Weltkriegs ist möglich, sagt unser Autor

von Vyacheslav Likhachev  04.05.2025

Österreich

Pita und Krautrouladen

Haya Molcho hat sich im Laufe der Jahre von Wien aus ein Imperium erkocht. Ein Gespräch über Familie, Politik und Balagan in der Küche

von Nicole Dreyfus  04.05.2025

Florenz

Judenretter und Radsportheld

Als Gigant der Landstraße ging Gino Bartali in die Geschichte des Radsports ein. Was der im Jahr 2000 gestorbene Italiener abseits der Rennen leistete, nötigt mindestens ebenso viel Respekt ab

von Joachim Heinz  02.05.2025

Japan

Jüdisch in Fernost

Etwa 1500 Juden sind im Land der aufgehenden Sonne zu Hause. Koscheres Leben ist schwierig. Und sogar hier hat sich seit dem 7. Oktober 2023 einiges verändert

von Eugen El  01.05.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025