Rumänien

»Es gibt wieder Bedarf«

Bis Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein (Computersimulation). Foto: Novartis

»Im Umkreis von 500 Kilometern existiert seit den 60er-Jahren keine orthodoxe Jeschiwa mehr, doch es gibt wieder Bedarf.« So begründet der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von Oradea, Felix T. Koppelman, warum entschieden wurde, eine neue zu errichten. Nach dem Holocaust und wegen Abwanderungen mussten in den letzten Jahrzehnten die Religionsschulen nach und nach schließen. Die in Oradea unweit der ungarischen Grenze soll die einzige im Land werden, einer Stadt mit großer jüdischer Tradition. Auf die Frage, warum dort und nicht in der Hauptstadt Bukarest, gibt der motivierte Gemeindechef eine klare Antwort: »Weil die Idee von hier kam!«

Zwar gibt es ein Rabbinerseminar in Ungarns Hauptstadt Budapest, doch dieses gehört einer anderen Glaubensrichtung, der Neologie, an. Die Aufgabe des neuen Instituts in Oradea wird es sein, orthodoxe Religionsleiter für die größeren jüdischen Gemeinden zu schulen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Rabbiner, sondern um Vorbeter, die befugt sind, Gemeinschaftsgebete zu sprechen. Sie können jedoch später als Rabbiner ordiniert werden. Derzeit amtieren in Rumänien nur zwei Rabbiner, einer in Oradea und der andere in Bukarest, beide kommen aus Israel. Die Einstellung eines ausländischen Rabbis sei kostspielig, die meisten jüdischen Gemeinden könnten sich das nicht leisten, sagt Koppelman. Mit der Einrichtung der Jeschiwa, die den Rang einer Hochschule haben werde, soll dieses schwerwiegende Problem gelöst werden. Jährlich sollen zwölf bis 15 Vorbeter ausgebildet werden. Der Lehrgang soll rund zwei Jahre dauern.

FinanzierUNG Die Bauarbeiten haben gerade angefangen und sollen laut Plan bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das Projekt wird voraussichtlich 1,2 Millionen Euro kosten. Das benötigte Geld wurde zum größten Teil von der lokalen jüdischen Gemeinde und dem Verband der Jüdischen Glaubensgemeinschaften in Rumänien zur Verfügung gestellt. Auch etwa 300 Privatpersonen haben dafür gespendet. Die Schule, in unmittelbarer Nachbarschaft der Chevra-Sas-Synagoge, soll bis zum Frühling nächsten Jahres vollständig funktionsfähig werden.

»Im Erdgeschoss des hochmodernen Gebäudes werden den Studierenden eine Kantine mit koscherem Essen und eine Mikwe zur Verfügung stehen, in der ersten Etage zwei Klassenzimmer, eine Bibliothek und die Verwaltungsbüros. Im obersten Stockwerk werden Unterkünfte für die Studierenden eingerichtet werden«, erklärt Koppelman stolz.

Die Kantorenanwärter sollen unentgelt­lich studieren können und ein bescheidenes Stipendium erhalten. Hierzu erwarte die Schulleitung finanzielle Unterstützung aus Israel. Die Stadtverwaltung werde wahrscheinlich zu den Kosten mit beitragen. »Zum Büro des Bürgermeisters pflegen wir seit jeher eine hervorragende Beziehung. Von Anfang an haben sie unser Vorhaben mitgetragen«, berichtet der Gemeindechef.

hebräisch Interessenten für das Studium haben sich schon einige gemeldet. Der Unterricht wird auf Rumänisch abgehalten, mit Lehrern aus der israelischen Stadt Bnei Brak, die der Sprache mächtig sind. Auch der derzeitige Rabbiner von Oradea stammt von dort. Da die Hörerschaft an einem Hebräisch-Intensivkurs teilnehmen wird, könnten einige Fächer im späteren Verlauf auch in dieser Sprache unterrichtet werden.

Bei der letzten Volkszählung in Rumänien im vergangenen Jahr gaben nur 2707 Menschen an, jüdisch zu sein. Dies ist ein dramatischer Rückgang im Vergleich zum vorherigen Zensus im Jahr 2011. Damals bekannten sich noch 3519 Bürger offen zum Judentum. Schätzungen zufolge leben in Rumänien jedoch wesentlich mehr Menschen mit jüdischen Wurzeln, sie tun sich jedoch schwer, Angaben dazu zu machen.

Die observanten Juden in Rumänien sind in 39 Gemeinden organisiert. Mit rund 800 Mitgliedern ist die orthodoxe Gemeinde von Oradea nach Bukarest die zweitgrößte des Balkanlandes.

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025