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Eine Mauer namens Walter

Wartet auf Deutschland: Walter Samuels Oberschenkelverletzung ist geheilt. Foto: imago

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Eine Mauer namens Walter

Was den Abwehrchef von Deutschlands Viertelfinal-Gegner Argentinien so besonders macht

von Martin Krauss  28.06.2010 17:47 Uhr

The Wall» wird Walter Samuel gerufen. Das hat nichts mit der phonetischen Nähe zu seinem Vornamen zu tun. Spanischsprachige Fans nennen Samuel auch «el muro». Und das liegt an seiner Funktion im Fußball: Der Argentinier ist einer der besten Innenverteidiger, die die Fußballwelt gegenwärtig zu bieten hat. Gemeinsam mit seinem brasilianischen Kollegen Lucio hat er seinen Klub Inter Mailand in diesem Sommer zum Gewinn der Champions League geführt.

maradona Wenn der zuletzt lädierte linke Oberschenkel hält, wird sich Samuel am Samstag auch gegen Miroslav Klose, Thomas Müller und Lukas Podolski als Mauer präsentieren. Sein Trainer, die argentinische Fußballlegende Diego Armando Maradona, vertraut dem 32-Jährigen, der schon elf Jahre Nationalmannschaftskarriere hinter sich hat und den Maradona selbst ins Nationalteam zurückgeholt hat.

Im Spiel der Vorrunde gegen Südkorea, als Argentinien sich mit einem 4:1-Sieg bislang zum einzigen Mal als ernst zu nehmender Anwärter auf den WM-Titel vorstellte, verletzte sich Samuel allerdings und musste nach 23 Minuten ausgewechselt werden: Kein Muskelriss, wie zunächst befürchtet, aber doch eine schwierige Muskelverletzung im Oberschenkel. «Wir können es nicht riskieren, ihn jetzt schon einzusetzen», sagte Maradona vor dem letzten Gruppenspiel gegen Griechenland. Und auch im Achtelfinale gegen Mexiko, das Argentinien klar, aber auch mit Hilfe umstrittener Schiedsrichterentscheidungen gewann, fehlte Samuel.

Achtelfinale Doch gegen Deutschland, so ist aus dem Lager der argentinischen Mannschaft zu vernehmen, wird Samuel wieder mitspielen: Die letzten Trainingseinheiten hat er ohne Probleme gemeinsam mit der gesamten Mannschaft absolviert. Samuel ist der letzte Jude, der bei dieser Fußball-WM in Südafrika im Turnier vertreten ist. Mit den drei Spielern Jonathan Bornstein, Benny Feilhaber und Jonathan Spector hatten die USA das größte jüdische Kontingent einer Mannschaft gestellt – doch nach ihrer Achtelfinal-Niederlage gegen Ghana sind die US-Boys aus dem Turnier ausgeschieden. Mit Vladmir Weiss jr. auf dem Platz und Vladimir Weiss sr. als Trainer an der Seitenlinie hatte die Slowakei keinen geringen jüdischen Anteil an einer der größten WM-Sensationen. Doch auch für Vater und Sohn (schon der Großvater Weiss, auch er hieß Vladimir mit Vornamen, war Nationalspieler) war nach dem Achtelfinale gegen die Niederlande Schluss. Es bleibt nur Walter Samuel übrig, geboren 1978 als Walter Adrian Lujan im argentinischen Firmat. Seinen leiblichen Vater lernte der Junge nie kennen. Als er schon als Profi spielte, nahm er den Namen seines Stiefvaters an: Samuel.

Sein Judentum bedeute ihm nicht viel, hat Walter Samuel einmal in einem Interview gesagt. Aber hinzugefügt, dass er keinen Grund sehe, sich nicht zu ihm zu bekennen. Dass das Viertelfinale gegen Deutschland am Schabbat ausgetragen wird, stört Samuel nicht: Ein Großteil der Spiele der Serie A findet auch samstagnachmittags statt. Jüdische Spieler waren im argentinischen Fußball nicht gerade prägend, aber gegeben hat es sie immer wieder: Vor vier Jahren, bei der WM, für die sich in Deutschland das Wort «Sommermärchen» eingebürgert hat, lief beispielsweise mit Juan Pablo Sorin ein jüdischer Star auf. Und betreut wurde die Mannschaft damals von José Pekerman, Weltklassetrainer – und Jude.

Anfänge Doch Pekerman hatte Walter Samuel bei der 2006er-WM nicht aufgestellt. 1996, im Alter von 18 Jahren, wurde Samuel Profi, zunächst bei den Newell’s Old Boys in Rosario in der Provinz Santa Fe. Schon ein Jahr später kickte er bei den legendären Boca Juniors, dem früheren Maradona-Club. 1997, in seinem zweiten Profijahr, gewann Samuel mit der argentinischen Juniorennationalmannschaft die U-20-WM in Malaysia – sein erster großer Titel.

1999 wurde Walter Samuel erstmals in die argentinische A-Nationalmannschaft berufen, 2002 nahm er an der WM in Südkorea und Japan teil. Doch die endete für Argentinien desaströs: Der zweifache Weltmeister überstand die Vorrunde nicht. Als Vereinsspieler zog es Samuel im Jahr 2000 nach Italien, zum AS Rom, der umgerechnet 20 Millionen Euro bezahlte: für einen 22-jährigen Verteidiger auch damals eine Riesensumme. In Rom wurde aus dem Talent ein Weltklassespieler. 15.000 Spielminuten spulte er runter, 173 Spiele bestritt er für den AS Rom. Im Jahr 2001 wurde das Team mit ihm auch italienischer Meister. Zuvor, mit Boca Juniors, war er schon zweimal Meister geworden: 1998 in der Hin- und 1999 in der Rückrunde. Insgesamt hat Samuel in seiner Zeit als Profi schon acht Meisterschaften gewonnen.

Real Madrid Im Jahr 2004 wechselte er für 25 Millionen Euro vom AS Rom zu Real Madrid, einer der größten Adressen des Weltfußballs. Doch genau da, beim spanischen Spitzenklub, lief es nicht gut für Samuel: sieben Spiele in Folge verlor das Team mit ihm als Abwehrchef. Da litt sein Ruf, «el muro» bröckelte. Nach nur einem Jahr verkauften die Königlichen Samuel wieder. Es ging erneut nach Italien, diesmal zu Inter Mailand, und zwar für 16 Millionen Euro. Samuels Marktwert war gesunken, aber immer noch bemerkenswert hoch. Zumal seine Länderspielkarriere ins Stocken geriet: Die immer wechselnden Nationaltrainer Argentiniens dachten nicht an den Namen Samuel, wenn sie ihre Auswahl für Turniere zusammenstellten.

Am 23. Dezember 2007 drohte für Walter Samuel, alles vorbei zu sein: Beim Mailand-Derby zwischen Inter und AC kümmerte er sich um Kaka, den brasilianischen Superstar. Während einer Aktion verletzte er sich unglücklich, ohne dass Kaka schuld war. Das Aus drohte. Doch Samuel arbeitete sich wieder heran. José Mourinho, der portugiesische Weltklassetrainer bei Inter Mailand, vertraute «el muro» und seiner Erfahrung, und überhaupt passte ein derart flexibler und schneller Verteidiger gut in Mourinhos Defensivkonzept.

Comeback Unter Mourinho erlebte Walter Samuel seinen zweiten fußballerischen Frühling: In diesem Jahr gelang dem Team das sogenannte Triple: italienischer Pokal, italienische Meisterschaft und letztlich, im Finale gegen Bayern München, der Gewinn der Champions League. In dieser Saison ist er in der Form seines Lebens.

Wie gut und wichtig Samuel ist, merkt man daran, dass der Lokalrivale AC Mailand einen Innenverteidiger sucht und das Jobprofil so beschreibt: Es solle «der nächste Walter Samuel» sein. So prägend ist «el muro» in der Serie A. In der sehr durchwachsenen und erst im letzten Moment erfolgreichen WM-Qualifikation der argentinischen Nationalmannschaft unter Diego Maradona spielte Samuel zunächst keine Rolle: Kein einziger Einsatz wurde ihm gegönnt. Aber der Erfolg in der Champions League verhalf dem Verteidiger noch einmal zu der Ehre, im Nationaltrikot aufzulaufen.

Sein Comeback im blau-weißen Team begann mit einem Freundschaftsspiel, das Argentinien 1:0 gewann. Der Gegner damals war Deutschland.

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