Italien

Die Schoa-Überlebende und der Mussolini-Nostalgiker

Als älteste Parlamentarierin hatte die Holocaust-Überlebende Liliana Segre die Sitzung und die Wahl des Präsidenten geleitet. Foto: picture alliance / Photoshot

In Italien hat ein umstrittener Rechtspolitiker und Faschismus-Nostalgiker das zweithöchste Amt des Staates übernommen. Ignazio La Russa von der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia wurde am Donnerstag bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments etwas kurios zum Senatspräsidenten gewählt.

Der 75-Jährige war der Wunschkandidat seiner Parteichefin Giorgia Meloni, die selbst in Kürze Ministerpräsidentin werden dürfte. In der Rechtskoalition aus den Fratelli, der rechtspopulistischen Lega und der konservativen Forza Italia, die Ende September die Parlamentswahl gewonnen hatte, offenbarten sich in Rom aber bereits überraschende Differenzen.

Die Wahl von La Russa ist ein Erfolg Melonis. Zugleich ist sie für viele ein Beweis dafür, wie sehr die aus einer neofaschistischen Bewegung hervorgegangene Partei und ihre Mitglieder immer noch an der dunklen und nie konsequent aufgearbeiteten Vergangenheit hängen.

Just La Russa ist dafür ein Musterbeispiel. Im Wahlkampf behauptete er, dass alle Italiener »Erben des Duce« sind, also von Diktator Benito Mussolini. Während der Corona-Pandemie riet er in den sozialen Medien, dass die Italiener sich nicht mehr die Hand geben, sondern den »Römischen Gruß« (analog zum Hitlergruß) der Faschisten zeigen sollten. Vor vier Jahren zeigte La Russa in einem Interview stolz sein Wohnzimmer mit Devotionalien und einer Statue Mussolinis.

Dass der Sizilianer in der ersten Sitzung der 19. Legislaturperiode ausgerechnet von der Holocaust-Überlebenden Liliana Segre ausgerufen wurde, entbehrt nicht einer - tragischen - Ironie. Als älteste Parlamentarierin hatte sie die Sitzung und die Wahl des Präsidenten geleitet. In einem emotionalen Appell bat sie darum, die Spaltungen in der Gesellschaft zu überwinden, sich gegen Hass und Ausgrenzung zu stellen und mit der »Politik des Geschreies« aufzuhören.

Segre erinnerte daran, dass sich just Ende dieses Oktobers zum 100. Mal die Machtergreifung der Faschisten in Italien jährt. Sie berichtete von einem »mulmigen Gefühl«, wenn sie an jenes jüdische Mädchen im Jahr 1938 denke, das wegen der Repressalien der Faschisten nicht mehr auf ihre Bank in der Grundschule zurück durfte, »sich heute aber dank eines sonderbaren Schicksals auf der bedeutendsten Bank des Senats wiederfindet«. Segre, die das Konzentrationslager in Auschwitz überlebt hatte, bekam mehrmals stehenden Applaus.

Später verkündete sie den Sieger der Wahl: La Russa erhielt 116 Stimmen, die nötige absolute Mehrheit der insgesamt 206 Senatoren lag bei 104. Die Rechtsallianz sprach sich dabei nicht geschlossen für den Berufspolitiker und früheren Verteidigungsminister aus.

Silvio Berlusconi hatte seine Forza-Italia-Senatoren aufgefordert, sich der Abstimmung zu enthalten, womöglich um den Fratelli einen Denkzettel zu verpassen. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie Berlusconi und La Russa im Saal stritten und Berlusconi den Kandidaten gar beschimpfte. Weil dieser dann aber kurioserweise von Senatoren gegnerischer Parteien gewählt wurde, blieb Berlusconi recht bedröppelt zurück.

In der zweiten Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus, zeichnete sich zunächst keine erfolgreiche Wahl ab. Dort ist in den ersten drei Wahlgängen eine Mehrheit von zwei Dritteln nötig, welche die Rechtsallianz nicht hat. Ab Wahlgang vier, der für Freitag vorgesehen ist, reicht die absolute Mehrheit; auf diese kommt der Rechtsblock.

Erst im Anschluss daran wird der Staatspräsident jemanden - im aktuellen Fall nach ihrem Wahlsieg die ultrarechte Meloni - mit der Regierungsbildung beauftragen. Expertenschätzungen zufolge könnte Meloni ihr Kabinett zum Ende der kommenden Woche zusammenbekommen.

Irak/Iran

Die vergessene Geisel

Seit zwei Jahren befindet sich Elizabeth Tsurkov in der Gewalt einer pro-iranischen Terrormiliz. Nun sorgt Druck aus Washington für Bewegung

von Sophie Albers Ben Chamo  24.03.2025

Schweiz

Trauer um eine »Macherin«

Die Zürcher Verlegerin und Mäzenin Ellen Ringier ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Ein Nachruf

von Peter Bollag  24.03.2025

New York

Von Gera nach New York

Der Journalist Max Frankel, früherer Chefredakteur der New York Times, ist tot. Er wurde 94 Jahre alt

 24.03.2025

New York

Für immer Carrie: Sarah Jessica Parker wird 60

Als Sex-Kolumnistin Carrie Bradshaw in »Sex and the City« wurde Sarah Jessica Parker zum Weltstar. Jetzt feiert »SJP« ihren runden Geburtstag

von Christina Horsten  24.03.2025

Orléans

Rabbiner geschlagen und gebissen

Der Täter flieht, wenig später wird ein junger Verdächtiger festgenommen – Präsident Macron verurteilt Angriff auf Rabbiner

 23.03.2025 Aktualisiert

Hollywood

Freizügig in »Little Odessa«

Der mehrfach Oscar-prämierte Film »Anora« rückt neben dem Jungstar Mark Eydelshteyn auch New Yorks russisch-jüdischen Stadtteil Brighton Beach ins Rampenlicht

von Sarah Thalia Pines  23.03.2025

Luxemburg

Verlorenes Paradies?

Der einstige Zufluchtsort ist bedrohlich geworden. Wie unser Autor auf seine Heimat blickt

von Mark Feldon  22.03.2025

Amsterdam

Wieder Urteile gegen »Judenjagd«-Teilnehmer

Nach der brutalen Jagd auf israelische Fußballfans in der Hauptstadt der Niederlande im November 2024 sind wieder Urteile gegen die Angreifer gefallen

 21.03.2025

Großbritannien

BBC: Besserung bis Pessach?

Das Board of Deputies of British Jews drängt auf Änderungen bei der Nahostberichterstattung des Senders

 21.03.2025