Porträt

Der Chip-Guru

Bekannt für seine innovativen Tech-Entwicklungen bei Apple: der israelische Ingenieur Johny Srouji Foto: Clara Wischnewski

Donald Trump hat einen, US-Präsident Joe Biden, der israelische Mossad und natürlich Elon Musk: einen Parodie-Twitteraccount. Es mag ein eigentümlicher Gradmesser für Erfolg sein, aber dennoch scheint zu gelten: Ab einem gewissen Bekanntheitsgrad erstellen Unbekannte ein Twitterkonto der bewunderten (oder auch verhassten) Person und veröffentlichen darauf allerhand Albernheiten.

Auch Johny Srouji hat einen solchen Parodie-Account, zwar nur mit einigen Hundert Followern und Beiträgen von zweifelhaftem humoristischen Wert, aber immerhin: eine kleine Erinnerung daran, wie weit er es gebracht hat, der Sohn eines arabischen Zimmermanns aus dem nordisraelischen Haifa.

EINFLUSS Johny Srouji, 59 Jahre alt, ist Senior Vice President für Hardware-Technologie beim Tech-Giganten Apple. Das US-Magazin »Bloomberg« beschrieb ihn 2016 als »wichtigsten Apple-Manager, von dem Sie noch nie etwas gehört haben«. Und seitdem ist seine Bedeutung noch gestiegen. 2019 wurde er zeitweilig als möglicher CEO von Intel gehandelt; und Brancheninsider beschreiben ihn als einen der einflussreichsten Menschen in der globalen Tech-Szene überhaupt.

Aus den zahlreichen Erfolgsgeschichten, die die Start-up-Nation Israel bereits hervorgebracht hat, sticht Srouji gleich aus mehreren Gründen hervor. Als arabischer Christ gehört er einer Minderheit innerhalb der Minderheit an, die nur sieben Prozent der arabischen Gemeinde ausmacht und knapp zwei Prozent der gesamten israelischen Bevölkerung. Als drittes von vier Kindern besuchte er eine christliche Privatschule in Haifa, die École des Sœurs de Nazareth, wo er ein außerordentliches Talent in Mathematik, Physik und Chemie bewies.

Nach dem Abschluss begann er ein Informatikstudium am Technion in Haifa, Israels technischer Hochschule von internationalem Ruf. »In meiner Jugend war das Technion nah genug, um real zu sein, aber prestigereich genug, um ein Traum zu sein«, erinnerte er sich viele Jahre später in einem Interview. Es gelang ihm, seinen Traum wahr zu machen: Sowohl seinen Bachelor als auch seinen Master beendete er mit Auszeichnung.

Srouji war stark in den Aufbau des Apple-Forschungszentrums in Herzliya involviert.

Anschließend begann Srouji, in Haifa für IBM zu arbeiten, bis er 1992 zu Intel wechselte. 1999 zog er nach Texas, um am dortigen Intel-Standort zu arbeiten. »Nach nur einer Woche waren wir verzaubert von ihm«, sagte ein früherer Intel-Kollege vor einigen Jahren im Gespräch mit der israelischen Wirtschaftszeitung »Calcalist«. »Er ist ein ungewöhnlich bescheidener, ruhiger, hart arbeitender, höflicher Mann, aber auch der Typ, der mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht aufsteht, um auszuhelfen. Er war der perfekte Teamkollege und hat nie seine Überlegenheit gezeigt, obwohl es offensichtlich war, dass er talentierter ist als wir anderen.«

TALENT 2008 wechselte Srouji zu Apple, wo er seine besonderen Talente bald ausspielen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen für seine Mobilgeräte die Microchips von Intel genutzt. Nun wollte es seinen ersten eigenen Chip entwickeln, den sogenannten A4 – und Srouji war für die Leistung dieser Entwicklung zuständig. Unter seiner Ägide entstanden anschließend weitere Apple-Chips für iPhones und iPads, was ihm in den Medien den Spitznamen »Chip Guru« einbrachte.

Einem Bericht der US-Wochenzeitung »BusinessWeek« zufolge rettete er gar 2015 den Launch des neuen iPads, indem er und sein Team innerhalb von nur sechs Monaten einen neuen Prozessor dafür entwickelten, den A9X. Im selben Jahr stieg er zum Vize-Präsidenten für Hardwaretechnologie auf, eine Position, die er bis heute bekleidet. 2017 soll er Berichten zufolge an Position zwei der bestbezahlten Personen im ganzen Konzern gestanden haben.

Inzwischen lebt Srouji, der mit einer christlichen Araberin verheiratet ist und mit ihr drei erwachsene Kinder hat, seit über zwei Jahrzehnten in den USA. Dennoch hält er bis heute eine besondere Verbindung zu seinem Heimatland aufrecht. So war er stark involviert in den Aufbau des Zentrums für Forschung und Entwicklung in Herzliya, dem zweitgrößten R&D-Center von Apple weltweit und dem ersten, den die Firma außerhalb der USA ansiedelte. Berichten zufolge soll Srouji sogar dafür geworben haben, das Zentrum in seiner Heimatstadt Haifa aufzubauen.

israel 2015 begleitete er Apple-CEO Tim Cook bei einem Besuch des Standortes in Israel und traf dabei auch den damaligen Staatspräsidenten Reuven Rivlin. Er sei »sehr stolz«, sagte dieser, dass ein Israeli eine derart führende Rolle in dem Unternehmen innehabe. »Wir brauchen noch fünf oder sechs Johnnies«, soll Rivlin gescherzt haben – woraufhin der Apple-Chef Cook antwortete: »Wenn Sie sie finden, sagen Sie mir, wo sie sind!«

2015 rettete er mit der Entwicklung eines neuen Prozessors einen iPad-Launch.

Auch an dem Aufbau eines R&D-Zentrums in der palästinensischen Stadt Rawabi im Westjordanland im Jahr 2018 war Srouji beteiligt, gemeinsam mit dem palästinensischen Unternehmer und Investor Bashar Masri, dem Gründer Rawabis. Rund 60 Ingenieure sind dort inzwischen beschäftigt. »Wir haben einen Weg gefunden, ein substanzielles und wichtiges Thema im Nahen Osten zu unterstreichen«, sagte Srouji ein wenig kryptisch im vergangenen Jahr im Zuge der Ankündigung Apples, das Zentrum in Rawabi zu vergrößern.

Politische Äußerungen sind von ihm nicht zu erwarten. Dafür spricht er gern und lobend über Israels viel bewundertes Hightech-Ökosystem. »Israel ist wirklich die Start-up-Nation«, sagte er in einem Interview im vergangenen Jahr. »Es gibt hier viele Ideen und kreative Innovationen. Das ist stark verankert in der Kultur, in der Industrie und in guten Universitäten.« Ihn selbst, meint er, habe diese Kultur geprägt: »In Israel habe ich viel gelernt, vor allem, wie man über schwierige Probleme nachdenkt und sie angeht. Lernen ist wichtig, aber Lernen ohne tiefgehendes Nachdenken bringt einen im Leben nicht weit.«

VORBILDER Auch die drei Personen, die er als wichtigste Vorbilder nennt, begleiteten ihn in seiner Jugend in Israel: sein Vater, eine seiner Lehrerinnen und ein Dozent am Technion, seiner Alma Mater, die ihm kürzlich eine Medaille für herausragende Leistungen verlieh. »Sein Unterricht war der schwerste«, sagt er über jenen Dozenten, den er damals bewunderte. »Deshalb habe ich mich selbst dazu herausgefordert, in seinem Unterricht gut zu sein. Ich wollte wie er sein. Von ihm habe ich viel über technische Tiefe gelernt und wie man sich einer Sache verschreibt.«

Vermutlich dient Johny Srouji heute selbst vielen jungen Menschen als Vorbild – nicht zuletzt israelischen Arabern, die in der Hightech-Branche noch immer unterrepräsentiert sind. Es gehört zu Sroujis erklärten Zielen, mehr junge Araber in den Sektor zu integrieren. Speziell bei Apple seien die Zahlen der arabischen Angestellten zwar »gut«, sagt er. Aber: »Ich strebe immer nach mehr.«

Ob er Israel nach all den Jahren noch vermisse, fragte ihn im vergangenen Jahr einmal ein Interviewer. »Selbstverständlich. Ich habe viele Freunde dort und natürlich meine Familie.« Er wünschte, er könne öfter in sein Heimatland reisen. »Und natürlich«, fügte er hinzu, »vermisse ich das Essen.«

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