USA

Der amerikanische Dreyfus

»Ich bin Patriot«: Alexander Vindman Foto: imago images/UPI Photo

Als der dreijährige Alexander Vindman 1979 mit seinem Zwillingsbruder Yevge­ny aus der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik in den USA ankam, war er ein ganz normales jü­disches Immigrantenkind. Eines, das sich später – wie Tausende vor und nach ihm – seinen amerikanischen Traum erfüllte. Doch nun, auf dem Höhepunkt einer durch Begabung, Fleiß und Loyalität beförderten Karriere, durchlebt Alexander Vindman (42) unversehens einen amerikanischen Albtraum.

Seine Familie verließ ihre Heimat wegen antisemitischer Anfeindungen in der Sowjetunion. Auf dem Weg in die Freiheit starb Alexander Vindmans Mutter. Der Vater, die Großmutter und Alexanders älterer Bruder kamen zusammen mit den Zwillingen nach New York. Sie fanden ihr neues Zuhause in Brighton Beach, das im restlichen New York »Little Odessa« genannt wird.

neueinwanderer Mit der Beharrlichkeit der meisten Neueinwanderer und mehreren Jobs schuf Vater Vindman die Voraussetzungen dafür, dass sein Sohn ein amerikanisches Leben getreu dem »Pursuit of Happiness«, jenem Verfassungsrecht auf das Streben nach Glück, führen konnte. Die Vindmans waren eine Musterfamilie.

Heute sind beide Vindman-Brüder aktive Oberstleutnants. Alexander diente als Infanterie-Offizier in Deutschland und Südkorea, bevor er in den Irak versetzt wurde. Nachdem er dort von einer am Straßenrand platzierten Bombe verletzt worden war, erhielt er das »Purple Heart«, die höchste Tapferkeitsauszeichnung der US-Armee. Seitdem, so hieß es in einem CNN-Bericht, trage er Schrapnellsplitter in seinem Körper.

Ethik – respektive der Mangel daran – ist ein Schlüsselwort, wenn es darum geht, was Vindman derzeit widerfährt.

Alexander Vindman erklomm die Karriereleiter im Zeitraffer. 2018 wurde er Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat (NSC) der Vereinigten Staaten – als Direktor für Europäische Angelegenheiten. Auch sein Zwillingsbruder Yevgeny arbeitet für den NSC, als Jurist mit dem Schwerpunkt Ethik.

Ethik – respektive der Mangel daran – ist ein Schlüsselwort, wenn es darum geht, was Vindman derzeit widerfährt. Er war einer derjenigen, die bei jenem berüchtigten Telefonat von Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugegen waren, in dem der US-Präsident Selenskyj drängte, gegen die Biden-Familie ermitteln zu lassen.

militärhilfe »Ich hielt es für unangebracht, zu verlangen, dass eine ausländische Regierung gegen einen US-Bürger ermitteln solle«, schrieb Vindman in seiner Aussage. »Und ich machte mir Sorgen um die Implikationen, die das für die Unterstützung der Ukraine durch die US-Regierung haben würde.« Vindman ergänzte, dass er das Telefonat als »quid pro quo« empfunden habe – als eine an Bedingungen geknüpfte Forderung –, die mit Trumps Blockade der vom Kongress genehmigten Militärhilfe für die Ukraine verbunden war. Diese Bedenken teilte er auch anderen NSC-Mitgliedern mit.

Was danach kam, ist nichts anderes als die aktuelle US-Version der Dreyfus-Affäre. Laura Ingraham von Trumps Leib-und-Magen-Sender »Fox News« streute als eine der Ersten die uralte Verächtlichmachung des Juden als »Diener zweier Herren«. »Hier haben wir einen Vertreter amerikanischer Sicherheitsinteressen, der die Ukraine berät, während er im Weißen Haus arbeitet – anscheinend gegen die Interessen des Präsidenten.«

Und Rudy Giuliani, Trumps Rechtsberater und selbst im Visier der Ermittler, raunte per Twitter: »Ein US-Regierungsangestellter, der offensichtlich zwei Regierungen beraten hat? Kein Wunder, dass er verwirrt ist und unter Druck steht.« Ob Trumps Truppen es schaffen, Vindmans Aussagen mit ihren antisemitischen Intrigen zu erschüttern, ist derzeit noch offen.

Vindman jedenfalls scheint unbeeindruckt. Vor dem Untersuchungsausschuss, der das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten vorbereitet, sagte er am 28. Oktober erneut aus: »Ich bin Patriot, und es ist meine heilige Pflicht und Ehre, unser Land voranzubringen und zu verteidigen – unabhängig von Parteien oder Politik.

Trauer

Auschwitz-Überlebender Ivan Ivanji gestorben

Noch am Mittwoch nahm der Schriftsteller an der Eröffnung des Museums Zwangsarbeit in Weimar teil

 10.05.2024

Schweiz

Zimmern und Streichen mit Kippa

Jüdische Handwerksbetriebe sind rar, aber es gibt sie. Wir haben zwei Unternehmer besucht

von Peter Bollag  10.05.2024

Aachen

Aufrüttelnde Appelle gegen Judenhass beim Karlspreis

Preisträger Goldschmidt mahnte in seiner Dankrede, jüdisches Leben sei leider nicht mehr selbstverständlich

von Gottfried Bohl  10.05.2024

Perspektive

Dieser Tag

Unser Autor Igor Mitchnik über seinen ganz persönlichen Blick auf den 9. Mai

von Igor Mitchnik  09.05.2024

Aachen

»Ich bin zu alt, um an Märchen zu glauben, aber zu jung, um aufzugeben«

Die Rede des Karlspreisträgers 2024 im Wortlaut

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  09.05.2024

USA

Biden warnt vor Antisemitismus und versichert Israel Unterstützung

Gewalt und Antisemitismus hätten keinen Platz in Amerika, so der Präsident

 08.05.2024

Österreich

Wiener Kunstblut

Ein jüdischer Aktivist sorgte mit einer Aktion bei einer Antisemitismustagung in Wien für Aufsehen

 07.05.2024

Lausanne

»Es ist ein Angriff auf das Prinzip der Universität«

Israelfeindliche Aktivisten besetzen die Universität, hetzen gegen den jüdischen Staat und setzen die Hochschule unter Druck. Ein Interview mit Professor Jacques Ehrenfreund

von Sophie Albers Ben Chamo  07.05.2024

Präsidentschaftswahl

Frauenwahlkampf in Macho-Land

Mexiko wählt erstmals eine Präsidentin

von Wolf-Dieter Vogel  07.05.2024