Polen

Betten im Bethaus

Synagogengebäude in Posen Foto: privat

»Langsam kehrt unser Optimismus zurück«, sagt Alicja Kobus, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im westpolnischen Poznan (Posen). »Wir haben jetzt unsere Synagoge verkauft, oder soll ich sagen, unser Schwimmbad?« Sie lacht bitter. »Nach fast 20 Jahren gibt es endlich eine Zukunft für das Gebäude. Es soll zu einem Hotel umgebaut werden – doch auch ein kleines Museum der jüdischen Geschichte Posens sowie einen kleinen Betraum enthalten.«

Noch ist das genaue Projekt nicht bekannt, aber der Investor scheint in jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt durchgesetzt zu haben, dass der heutige Profanbau wieder die zweistöckige Kuppel der einstigen Synagoge erhalten kann.

wehrmacht »Mehr als 100 Jahre lang beteten dort rund 1000 Juden. Die Synagoge war unser ganzer Stolz – bis im Jahr 1939 die Nazis kamen, zuerst den Davidstern von der Kuppel holten und dann unseren Tempel zu einem Wehrmachts-Schwimmbad umbauten.«

Nach dem Krieg kehrten nur wenige Juden nach Posen zurück. Die Gemeinde-Immobilien wurden verstaatlicht, die Synagoge so belassen, wie sie war, und als Kinderschwimmbad weitergenutzt. »Als wir nach der politischen Wende 1989 nach und nach unsere Immobilien zurückerhielten, war die Freude groß«, erzählt Kobus. Allerdings war die Gemeinde mit rund 30 Mitgliedern zu klein, um einen selbstständigen Status erhalten zu können, und wurde von Warschau aus verwaltet.

»Dann aber haben die Warschauer alle unsere Immobilien in Posen verkauft«, sagt die 72-Jährige und zuckt resigniert die Schultern. »Geblieben sind nur das Schwimmbad und das Eckhaus schräg gegenüber, wo wir unseren Gemeindesitz mit einem kleinen Betraum und einer koscheren Küche haben.«

Die Posener Gemeinde erhielt den Status einer selbstständigen Gemeinde und kann seitdem eigenständig über ihre Finanzen bestimmen.

Doch Anfang 2019 hat sich etwas Entscheidendes geändert: Die Posener Gemeinde erhielt den Status einer selbstständigen Gemeinde und kann seitdem eigenständig über ihre Finanzen bestimmen.

»Seit 2002 haben wir versucht, das Schwimmbad wieder in eine Synagoge zu verwandeln oder in ein Zentrum des jüdisch-christlichen Dialogs«, berichtet Kobus. »Doch niemand wollte uns finanziell unter die Arme greifen – weder die EU, bei der wir Anträge gestellt hatten, noch die Deutschen, die doch alles zerstört haben.«

Die Posener Gemeinde habe sich mit Unterstützung der Warschauer Gemeinde an die Bundeswehr als Nachfolgeorganisation der Wehrmacht gewandt und auch über die Deutsche Botschaft an die Bundesregierung in Berlin. Kobus zieht die Mundwinkel missbilligend nach unten. »Wir sind nicht zuständig. Es tut uns leid«, sagte man uns. Doch sie fragt sich: »Wer sonst soll zuständig sein, wenn nicht diejenigen, die die Synagoge zerstört haben?«

Als in der ehemaligen Lubliner Jeschiwa, die nach dem Krieg als Krankenhaus genutzt wurde, das Vier-Sterne-Hotel »Ilan« eröffnet wurde, schien das auch für Posen die geeignete Lösung zu sein.

Oberrabbiner Polens Oberrabbiner Michael Schudrich hatte nichts dagegen, da eine Synagoge anders als ein jüdischer Friedhof auch ihre Bestimmung ändern kann. Weil die Posener Synagoge nach ihrer Schändung durch die Nazis nie wieder als Bethaus genutzt worden sei, sondern höchstens als Ort von Kunst-Happenings, stehe einer anderen Nutzung nichts im Weg, so Schudrich.

Doch in Israel wie auch in Polen wurde Kritik laut. Und auch viele Gemeindemitglieder mussten sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass aus dem Schwimmbad, das einst ein Bethaus war, nicht wieder eine Synagoge wird, sondern ein Hotel. Dennoch legte der mit der Gemeinde befreundete Posener Architekt Stefan Bayer mehrere Entwürfe für einen Umbau vor, der den früheren Charakter der Synagoge zwar unterstrich, aber auch von einer anderen Nutzung ausging.

Vor zwei Jahren enthüllte dann plötzlich das Branchenblatt »Hotelarz«, dass die Gruppe Hilton Curio in der äußerlich möglichst originalgetreu wiederhergestellten Posener Synagoge ein Boutique-Hotel einrichten will. Alicja Kobus macht ein geheimnisvolles Gesicht. »Ich darf nichts verraten«, sagt sie. »Der Investor will seine Pläne selbst bekanntgeben. Ich weiß nur so viel: Es sieht gut aus. Endlich.«

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