Polen

Bauernproteste gegen Schächtverbot

Bauernproteste in Warschau gegen das geplante Gesetz Foto: imago images/Eastnews

»Wir haben langsam die Nase voll von diesen ständigen Debatten über Koscherfleisch und den jüdischen Gott, der es angeblich gerne sieht, wenn Tiere beim Schächten ordentlich gequält werden«, empört sich eine Warschauer Jüdin, die nicht mit Namen genannt werden will.

»Ich kann unsere Gemeindebund-Vorsitzende Klara Kolodziejska gut verstehen, wenn sie sich zum neuen Tierschutzgesetz, das gerade im polnischen Parlament beraten wird, nicht äußern will.«

Es sei nun schon das dritte Mal in zehn Jahren, dass polnische Politiker durch neue Tierschutzgesetze eine gegen Juden und Muslime gerichtete Kampagne losgetreten hätten. Ausgerechnet zu Rosch Haschana, am 18. September, habe der Parteivorsitzende der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, behauptet, dass  alle »guten Menschen« sein Tierschutzgesetz unterstützen würden.

Senat Polens Oberrabbiner Michael Schudrich ist es auch langsam leid, sich immer wieder die antisemitischen Stereotypen von den angeblich grausamen und blutrünstigen Juden um die Ohren schlagen zu lassen. Zwar erläuterte er in einer Sitzung des Senats, der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, dass beim Schächten das Tier nach dem tödlichen Schnitt durch die Halsschlagader innerhalb von Sekunden das Bewusstsein verliere und nichts mehr spüre, doch schriftlich legten weder er noch die jüdische Einheitsgemeinde Protest gegen das Schächtverbot ein.

Dies tat dann erst Rabbiner Shalom Dov Ber Stambler von Chabad Lubawicz Polska am Tag der erneuten Debatte im Senat. »Das Schächten ist weder eine Tierquälerei – dies verbieten uns Thora und Talmud ausdrücklich – noch eine ›Ritual-Schlachtung‹, wie es in Polen oft fälschlich heißt«, schreibt er in seinem offenen Brief an die Senatoren.

Tierrechte seien wichtig und zu respektieren, aber es gebe auch ein Menschenrecht auf freie Religionsausübung. Die vorgeschlagene Lösung, dass für die in Polen lebenden Juden noch geschächtet werden dürfe, für den Export ins Ausland aber nicht mehr, werde zu einer so großen Preissteigerung führen, dass sich kaum ein religiöser Jude in Polen das koschere Fleisch noch wird leisten können.

Unterstützung Auf europäischer Ebene kam am 12. Oktober Hilfe von Rabbiner Menachem Margolin von der European Jewish Association mit Sitz in Brüssel und zahlreichen weiteren Rabbinern, Gemeindevorsitzenden und Politikern aus ganz Europa.

In einem offenen Brief forderten auch sie dazu auf, das Schächtverbot für den Export aus dem geplanten Tierschutzgesetz zu streichen. Polen sei einer der wichtigsten Lieferanten von koscherem Fleisch in Europa und garantiere damit die Religionsfreiheit der Juden, wie sie in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtscharta festgelegt sei. Mit dem neuen Tierschutzgesetz würde Polen das Signal aussenden, dass mit einem einfachen Gesetz jüdisches Leben in Europa verhindert werden könne.

Bauernprotest Ein noch stärkeres Argument dürften aber die Milliardenverluste der Bauern gewesen sein, die durch das Schächtverbot ihre Existenz verlieren würden. Tausende Landwirte aus ganz Polen fuhren in einer Sternfahrt mit ihren Traktoren nach Warschau und protestierten dort lautstark. Nach dem Senat ist  wieder der Sejm, die erste Kammer des Parlaments, am Zug. Er könnte den Senat überstimmen, und dann hätte Polen Präsident Andrzej Duda das letzte Wort.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024